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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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schönes Rot, nicht wahr?«
    Sie sah es ihm an. Hörte es. Und die Stimme in ihrem Innern – die, die die Wahrheit sagte – ließ keinen Zweifel offen. Sie sollte wirklich sterben.

KAPITEL 86
     
    Kaliber
     
    K inzonzi zeigte auf van Boorsts Steinhaus und befahl Oudry, den Range Rover dicht vor die Haustür zu fahren. Er sah das Licht hinter den Gardinen und erinnerte sich daran, dass Mister Tony sie aufgefordert hatte, es brennen zu lassen, als sie gegangen waren. Damit der weiße Mann sah, was ihn erwartete. Kinzonzi stieg aus und wartete darauf, dass Oudry den Zündschlüssel abzog und zu ihm kam. Der Befehl war einfach: liquidieren und mitnehmen. Der Auftrag weckte keine Gefühle in ihm. Keine Furcht, keine Freude, nicht einmal Anspannung. Es war einfach ein Job.
    Kinzonzi war neunzehn Jahre alt. Er kämpfte, seit er elf war. Seit damals, als die PDLA , die People’s Democratic Liberation Army, sein Dorf gestürmt hatte. Sie hatten seinen Bruder mit dem Schaft einer Kalaschnikow erschlagen und seine beiden Schwestern vergewaltigt, während sein Vater zusehen musste. Anschließend hatte der Kommandant gesagt, dass sie auch Kinzonzi und die älteste Schwester töten würden, wenn sein Vater nicht vor allen Soldaten mit der jüngsten Tochter schlief. Noch bevor der Kommandant den Satz vollendet hatte, war sein Vater in ihre Macheten gestürmt. Alle hatten laut gelacht.
    Als sie später aus dem Dorf aufbrachen, hatte Kinzonzi zum ersten Mal seit langem richtig zu essen bekommen, danach war ihm ein Beret ausgehändigt worden, das der Kommandant als Kinzonzis Uniform bezeichnete. Zwei Monate später hatte er eine Kalaschnikow und seinen ersten Menschen erschossen. Eine Mutter in einem Dorf, die sich geweigert hatte, der People’s Democratic Liberation Army ihre Wolldecken zu überlassen. Er war gerade zwölf geworden, als er in der Reihe der Soldaten stand, die unweit seines Heimatdorfes ein junges Mädchen vergewaltigten. Als er an der Reihe war, schoss ihm durch den Kopf, dass das Mädchen seine Schwester sein könnte, das Alter stimmte. Und als er ihr ins Gesicht geblickt hatte, war ihm bewusst geworden, dass er keine Erinnerung mehr an ihre Gesichter hatte. Mutter, Vater und alle Geschwister waren weg, ausgelöscht.
    Vier Monate später hackte er gemeinsam mit zwei Kameraden dem Kommandanten die Arme ab und sah zu, wie er verblutete. Dies geschah nicht aus Rache oder Hass, sondern weil die CFF , die Congo Freedom Front, ihnen einen besseren Lohn versprochen hatte. Fünf Jahre lang lebte er daraufhin von dem, was die Überfälle der CFF auf die Dörfer im Norden des Kivu-Sees einbrachten. Sie mussten die ganze Zeit vor den anderen Guerillagruppen auf der Hut sein, und die Dörfer, in die sie kamen, waren mit der Zeit oft von den anderen schon so komplett ausgeplündert, dass dort nichts mehr zu holen war. Zu guter Letzt hatte die CFF mit dem Regierungsheer verhandelt. Die Rebellen waren bereit, die Waffen niederzulegen, wenn ihnen im Gegenzug Amnestie gewährt wurde und alle Kämpfer in die staatliche Armee aufgenommen wurden. Die Verhandlungen waren schließlich am Geld gescheitert.
    Aus Hunger und Verzweiflung hatte die CFF daraufhin eine der Grubengesellschaften angegriffen, die Koltan abbauten. Ein Himmelfahrtskommando, denn sie wussten, dass die Wachsoldaten dieser Gesellschaften besser ausgerüstet waren als sie selbst. Da Kinzonzi nie geglaubt hatte, lange zu leben oder anders als im Kampf zu sterben, hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er plötzlich in die Gewehrmündung eines Weißen starrte, der ihn in einer fremden Sprache ansprach. Kinzonzi hatte nur genickt, um seinem Gegenüber zu signalisieren, dass er es hinter sich bringen wollte. Zwei Monate später waren die Verletzungen verheilt. Jetzt war die Grubengesellschaft sein neuer Arbeitgeber.
    Der weiße Mann hieß Mister Tony. Er zahlte gut, war aber gnadenlos, wenn er das geringste Anzeichen von Illoyalität ent deckte. Er redete mit ihnen und war der beste Chef, den Kinzonzi jemals gehabt hatte. Trotzdem hätte er keine Sekunde gezögert, ihn zu erschießen, wenn es sich gelohnt hätte. Aber es lohnte sich nicht.
    »Beeil dich«, forderte Kinzonzi Oudry auf und lud seine Pistole. Er wusste, dass der Tod durch den Metallapfel im Mund des weißen Polizisten, dessen Nadeln ausgelöst wurden, wenn er die Tür öffnete, auf sich warten lassen konnte. Deshalb wollte er ihm eine Kugel verpassen, um schnell zum Nyiragongo hochfahren zu

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