Leopard
können, wo Mister Tony mit den Frauen wartete.
Ein Mann, der rauchend vor dem Laden nebenan gesessen hatte, stand auf, murmelte wütend etwas und verschwand im Dunkeln.
Kinzonzi blickte auf die Türklinke. Bei ihrem letzten Besuch hatten sie van Boorst geholt, und bei der Gelegenheit war er zum ersten Mal der sagenumwobenen Alma begegnet. Van Boorst hatte sein ganzes Vermögen für Singapore Sling, Bodyguards und Alma ausgegeben, die rund um die Uhr sicher einiges kostete. Van Boorst hatte aus Verzweiflung den Fehler seines Lebens begangen, Mister Tony zu erpressen und ihm zu drohen, mit seinem Wissen zur Polizei zu gehen. Der Belgier hatte eher resigniert als überrascht ausgesehen, als sie kamen, und nur noch rasch sein Glas ausgetrunken. Sie hatten ihn in passend große Stücke zerlegt und damit die abartig fetten Schweine vorm Flüchtlingslager gefüttert, und Mister Tony hatte Alma übernommen. Alma mit ihren weichen Hüften, dem Goldzahn und dem geilen Schlafzimmerblick, der Kinzonzi einen weiteren Grund lieferte, Mister Tony eine Kugel in den Kopf zu jagen. Wenn es sich denn lohnen würde.
Kinzonzi drückte die Klinke nach unten und zog mit einem Ruck an der Tür. Sie glitt auf, wurde aber von der dünnen Stahlschnur gestoppt, die an der Innenseite der Tür befestigt war. Als sie sich straffte, war deutlich ein lautes Klicken zu hören. Ein metallenes Geräusch, wie wenn man ein Bajonett in eine stählerne Scheide steckte. Die Tür schloss sich langsam wieder. Kinzonzi ging hinein, zog Oudry hinter sich her und warf sie zu. Der bittere Geruch von Erbrochenem stach ihm in die Nase.
»Mach die Taschenlampe an.«
Oudry tat, was ihm befohlen worden war.
Kinzonzi starrte zum anderen Ende des Raumes. Die Wand über dem Bett war blutverschmiert, und an einem Nagel hing ein ebenfalls blutiger Geldschein. Auf dem Bett in einer Pfütze von Erbrochenem lag die blutige Metallkugel, aus der die Nadeln herausragten wie Sonnenstrahlen. Aber kein weißer Polizist.
Die Tür. Kinzonzi wirbelte mit gezückter Waffe herum.
Niemand da.
Er kniete sich hin und warf einen Blick unter das Bett. Auch dort war niemand.
Oudry öffnete die Tür des einzigen Schranks im Raum. Leer.
»Er ist geflohen«, sagte Oudry zu Kinzonzi, der am Bett stand und mit einem Finger auf die Matratze drückte.
»Was ist das?«, fragte Oudry, der näher gekommen war.
»Blut.« Er nahm Oudry die Lampe aus der Hand. Leuchtete auf den Boden und folgte der blutigen Spur, die in der Mitte des Raumes endete. An einer Bodenluke mit Eisenring. Er ging näher, zog sie hoch und leuchtete ins Dunkel. »Hol dein Gewehr, Oudry.«
Der Kamerad verschwand und kam kurz darauf mit einem AK-47 wieder.
»Gib mir Feuerschutz«, sagte Kinzonzi und stieg die Leiter nach unten.
Er erreichte den Kellerboden und nahm die Pistole in die eine und die Lampe in die andere Hand, als er sich umdrehte. Der Lichtkegel huschte über Schränke und Wandregale und glitt dann über ein freistehendes Regal in der Mitte des Kellers, auf dem weiße, groteske Masken standen. Eine mit Nägeln in der Augenbraue, eine richtig lebensechte mit einem asymmetrischen Mund, der auf der einen Seite bis zum Ohr reichte, und eine mit leeren Augen und tätowierten Speeren auf beiden Wangen. Der Lichtkegel schwang über das Regal auf der anderen Seite und hielt abrupt inne. Kinzonzi erstarrte. Die Waffe. Das Gewehr. Die Munition. Das Hirn ist ein phantastischer Computer. Im Bruchteil einer Sekunde kann es Tonnen von Daten registrieren, kombinieren und zu dem richtigen Schluss kommen. Als Kin zonzi die Lampe erneut auf das Regal mit den Masken richtete, kannte er die Antwort deshalb bereits. Das Licht fiel auf die weiße Maske mit dem asymmetrischen Mund. Er sah die Backenzähne. Blutrotes Glitzern.
Kinzonzi hatte nie daran geglaubt, lange zu leben oder auf eine andere Weise als im Kampf zu sterben.
Das Hirn gab einen Befehl an seinen Finger, den Abzug der Pistole zu drücken. Das Hirn ist ein phantastischer Computer.
Im Laufe einer Mikrosekunde bewegte sein Finger sich. Gleichzeitig hatte sein Hirn den Denkprozess abgeschlossen und war zu einer Antwort gekommen. Es wusste, wie es ausgehen würde.
Harry hatte genau gewusst, dass es nur eine Lösung gab. Und dass er nicht länger warten durfte. Deshalb hatte er den Kopf noch einmal auf den Nagel geschlagen, das zweite Mal etwas höher, und es kaum mehr gespürt, als der Stahl seine Wange perforierte und die Metallkugel im Mund traf. Dann
Weitere Kostenlose Bücher