Leopard
hatte er sich mit dem Kopf an die Wand gedrückt, auf das Bett nach unten sacken lassen und sich dann mit seinem vollen Gewicht nach hinten gelehnt und gleichzeitig die Wangenmuskulatur angespannt. Erst war nichts geschehen, doch dann war die Übelkeit gekommen. Und die Panik. Wenn er jetzt kotzen musste, mit dem Leopoldsapfel noch im Mund, würde er ertrinken. Aber es war nicht zu stoppen, er spürte bereits, wie sich sein Magen zusammenzog, um die erste Ladung durch die Speiseröhre nach oben zu schicken. Verzweifelt hob Harry den Kopf und die Hüften, ließ sich nach hinten fallen und spürte, wie das Fleisch nachgab, es riss, zerteilt vom Nagel. Blut strömte in seinen Mund und in die Luftröhre und zwang ihn zu husten. Dann kratzte der Nagel an seinen Schneidezähnen. Harry griff in seinen Mund, aber die Kugel war glitschig vom Blut, so dass seine Finger abrutschten. Er schob die Finger hinter das Metall und drückte sie nach vorn, während er mit der anderen Hand seinen Kiefer nach unten zog. Hörte es an den Zähnen kratzen, und dann kam – mit unbändiger Kraft – der Mageninhalt.
Vielleicht war es das Erbrochene, das ihm die Metallkugel aus dem Mund drückte. Harry lehnte mit dem Kopf an der Wand und starrte auf das glänzend blanke Todesinstrument, das unter dem Nagel auf dem Bett in seinem Erbrochenen lag.
Dann stand er auf, nackt und auf wackeligen Beinen. Er war frei.
Er taumelte zur Tür, als ihm einfiel, weshalb er hierhergekommen war. Erst beim dritten Versuch gelang es ihm, die Bodenluke zu öffnen. Auf dem Weg nach unten rutschte er in seinem eigenen Blut aus und stürzte in die Dunkelheit. Während er auf dem Betonboden lag und atmete, hörte er einen Wagen vor dem Haus halten, Stimmen und das Schlagen von Autotüren. Harry rappelte sich auf und tastete sich im Dunkeln zur Leiter, stieg hoch und schloss die Klapptür, als er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde, gefolgt von dem gnadenlosen Klicken des Apfels. Harry kletterte vorsichtig wieder nach unten, bis er den kalten Beton unter den Fußsohlen spürte. Dann schloss er die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Holte das Bild aus seiner Erinnerung hervor. Das Regal links. Die Kalaschnikow. Eine Glock, eine Smith & Wesson. Der Koffer mit dem Märklin-Gewehr. Die Munition. In dieser Reihenfolge. Er tastete sich weiter vor. Die Finger glitten über einen Gewehrlauf, den glatten Stahl der Glock, bevor er die Form der Smith & Wesson erkannte, das gleiche Kaliber wie seine Dienstwaffe. Er nahm sie mit und tastete nach der Munition. Spürte das Holz unter den Fingerkuppen. Oben hörte er energische Schritte. Der Deckel war einfach zu öffnen. Mit etwas Glück … Er schob die Hand hinein, legte die Finger um eine Munitionsschachtel und drückte sie zusammen. Verdammt, zu groß. Als er den Deckel der nächsten Holzkiste öffnete, ging die Klapptür auf. Er schnappte sich eine Schachtel und hoffte einfach, das richtige Kaliber zu haben. Im selben Moment fiel Licht in den Keller, ein Ring wie von einer Taschenlampe erleuchtete den Boden vor der Leiter. Doch der Lichtschein reichte Harry, um das Etikett der Munitionsschachtel zu lesen. 7.62 Millimeter. Verdammte Scheiße! Harry starrte auf das Regalbrett. Da. Die Box daneben. Kaliber .38. Das Licht verschwand vom Boden und zuckte über die Decke. Dann sah Harry die Silhouette einer Kalaschnikow in der Öffnung, gefolgt von einem Mann, der nach unten stieg.
Das Hirn ist ein phantastischer Computer.
Als Harry den Deckel der Box geöffnet und eine Schachtel herausgenommen hatte, war es mit seinen Berechnungen bereits durch und wusste, dass es zu spät war.
KAPITEL 87
Kalaschnikow
W ürden wir keine Grube betreiben, gäbe es hier keine einzige Straße«, sagte Tony Leike, als der Wagen über den schmalen Weg holperte. »Unternehmer wie ich sind die einzige Hoffnung, dass die Menschen in Ländern wie dem Kongo auf die Beine kommen, den Anschluss finden und zivilisiert werden. Die Alternative wäre, sie sich selbst zu überlassen, aber dann machen sie, was sie immer gemacht haben: sich gegenseitig umbringen. Auf diesem Kontinent ist jeder gleichermaßen Jäger wie Gejagter. Vergessen Sie das nie, wenn Sie in die bettelnden Augen eines hungrigen afrikanischen Kindes schauen. Geben Sie denen zu essen, werden diese Augen Sie bald wieder ansehen, durch das Visier einer automatischen Waffe. Und dann gibt es keine Gnade.«
Kaja antwortete nicht. Sie starrte auf die roten Haare der Frau auf
Weitere Kostenlose Bücher