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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Park. Eine Joggerin, dick und schwitzend. Eine Wollmütze sah er da nicht. Auch niemanden sonst, der eine Wollmütze trug. Jedenfalls nicht wegen der Temperaturen. Eher schon, um nicht erkannt zu werden. Eine schwarze Wollmütze.
    Eine Wollmaske vielleicht?
    Vorsichtig trat er aus dem Busch.
    Er hatte sie nicht kommen hören.
    Einer von ihnen hielt eine Pistole in der Hand – eine halbautomatische Steyr aus Österreich. Die Mündung zeigte auf Harry. Der blonde Mann mit der Waffe hatte den Mund geöffnet. Er hatte einen kräftigen Unterbiss, und als er dann auch noch schnorchelnd zu lachen begann, erinnerte Harry sich an ihn. Es war Truls Berntsen vom Kriminalamt, Spitzname Beavis. Wie in Beavis & Butt-Head.
    Der andere Mann war klein, hatte ungewöhnlich kräftige O-Beine und die Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben, in denen, wie Harry ganz genau wusste, eine Waffe und ein Ausweis mit einem finnisch klingenden Namen steckten. Aber es war der dritte Mann, der in dem eleganten grauen Trenchcoat, der Harrys Aufmerksamkeit auf sich zog. Er stand etwas abseits, trotzdem schienen sich die beiden anderen, ihrer Körpersprache nach zu urteilen, nicht nur auf Harry, sondern auch auf diesen Mann zu konzentrieren. Als wären sie sein verlängerter Arm, als hielte eigentlich dieser Mann die Pistole in der Hand. Was Harry am meisten an diesem Mann auffiel, war nicht seine nahezu feminine Schönheit. Auch nicht die langen Wimpern, die gut und gerne getuscht sein mochten. Oder die Nase, das Kinn und die fein geformten Wangen. Nicht das dichte dunkelgraue, gut frisierte und für den Branchenstandard etwas zu lange Haar. Und auch nicht die vielen kleinen Pigmentflecken auf der sonnengebräunten Haut, die fast den Eindruck erweckten, er wäre einem Säureregen ausgesetzt gewesen. Das, was Harry am meisten beeindruckte, war der Hass, der in dem Blick lag, mit dem dieser Mann ihn fixierte. Harry glaubte, ihn fast physisch zu spüren, weiß und spitz.
    Der Mann reinigte sich mit einem Zahnstocher die Zähne. Seine Stimme war höher und sanfter, als Harry es erwartet hatte: »Sie sind in ein für Ermittlungen abgesperrtes Gelände eingedrungen, Hole.«
    »Eine unbestreitbare Tatsache«, sagte Harry und sah sich um.
    »Warum?«
    Harry betrachtete den Mann und verwarf eine Antwort nach der anderen, bis ihm klarwurde, dass er ganz einfach keine hatte.
    »Da Sie mich zu kennen scheinen«, sagte Harry, »würde auch ich gerne wissen, mit wem ich die Ehre habe.«
    »Ich bezweifle, dass das jemanden von uns wirklich ehrt, Hole. Deshalb schlage ich Ihnen vor, diesen Ort auf der Stelle zu verlassen und sich nie wieder auch nur in der Nähe eines Tatorts aufzuhalten, an dem das Kriminalamt ermittelt. Haben Sie das verstanden?«
    »Nun, gehört habe ich es, aber verstanden nicht ganz. Was wäre, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten und der Polizei einen Tipp geben könnte, wie Marit Olsen …«
    »Ihr einziger Beitrag zur Polizei«, unterbrach ihn die sanfte Stimme, »ist Ihr schlechtes Renommee. Für mich sind Sie ein Alkoholiker, ein Gesetzesbrecher und ein Schädling, Hole. Ich kann Ihnen wirklich nur raten, wieder zurück unter den Stein zu kriechen, unter dem Sie hervorgekrochen sind, ehe jemand Sie mit seinem Absatz zerquetscht.«
    Harry musterte den Mann und spürte, dass sowohl sein Kopf als auch sein Magen zum Rückzug bliesen und ihm mit allem Nachdruck empfahlen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und klein beizugeben. Er hatte nichts, womit er kontern konnte. Der Klügere gibt nach.
    Er wäre gern der Klügere gewesen, hätte wirklich was darum gegeben, diese Eigenschaft sein Eigen zu nennen. Harry holte das Zigarettenpäckchen hervor:
    »Und der wollen dann Sie sein, Bellman? Denn Sie sind doch wohl Bellman, nicht wahr? Das Genie, das diesen Affen da auf mich angesetzt hat?« Harry nickte in Richtung des Finnen. »Was den Ausgang dieses Versuchs angeht, bezweifle ich ja, dass Sie es schaffen, Ihren Absatz auf … auf …« Harry suchte fieberhaft nach einem geeigneten Bild, aber ihm fiel keines ein. Scheißjetlag. Bellman kam ihm zuvor.
    »Verschwinden Sie, Hole.« Der Oberkommissar zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. »Und zwar sofort. Jetzt.«
    »Ich …«, begann Harry.
    »Das war’s«, sagte Bellman und grinste breit. »Sie sind verhaftet, Hole.«
    »Was?«
    »Sie sind dreimal aufgefordert worden, sich von einem Tatort zu entfernen, haben dieser Bitte aber nicht Folge geleistet. Hände auf den

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