Leopard
ganz recht. Weniger Leute bedeuten ein geringeres Risiko, dass das Kriminalamt oder das Justizministerium mitbekommen, dass wir den Doppelmord untersuchen.«
»Den Dreifachmord«, sagte Harry und gähnte.
»Moment, wir wissen doch noch gar nicht, ob Marit Olsen …«
»Eine Frau, die abends allein unterwegs ist und an einen Ort gebracht wird, wo man ihr auf unkonventionelle Weise das Leben nimmt. Zum dritten Mal im kleinen Oslo. Dreifach. Glaub mir. Aber egal wie wenige wir sind, wäre es verdammt gut, wenn sich unsere Wege hier nicht mit denen des Kriminalamtes kreuzen würden.«
»Ja«, sagte Hagen. »Darüber bin ich mir im Klaren. Darum habe ich auch eine Bedingung. Sollten die Ermittlungen publik werden, haben sie nichts mit dem Dezernat für Gewaltverbrechen zu tun.«
Harry schloss die Augen. Hagen fuhr fort:
»Wir werden dann selbstverständlich bedauern, dass einige unserer Mitarbeiter involviert sind, werden aber deutlich machen, dass es sich mal wieder um einen Alleingang des notorischen Einzelgängers Harry Hole handelt, der ohne Kenntnis der Dezernatsleitung auf eigene Faust Ermittlungen angestellt hat. Und du wirst diese Version bestätigen.«
Harry öffnete die Augen und sah Hagen eindringlich an.
Hagen erwiderte seinen Blick. »Noch Fragen?«
»Ja.«
»Schieß los.«
»Wer ist der Maulwurf?«
»Wie bitte?«
»Wer informiert Bellman?«
Hagen zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht den Eindruck, dass er systematisch über unsere Arbeit informiert ist. Dass wir dich gesucht und hierhergebracht haben, kann er von verschiedenen Seiten erfahren haben.«
»Ich weiß, dass Magnus Skarre gern viel redet, wenn der Tag lang ist.«
»Frag mich nicht, Harry.«
»Okay, und wo richten wir unser Hauptquartier ein?«
»Gute Frage.« Gunnar Hagen nickte ein paarmal, als wäre das etwas, worüber er schon eine ganze Weile nachgedacht hatte. »Was das Büro angeht …«
»Ja?«
»Hier im Haus ist es, wie gesagt, total voll, wir mussten also irgendetwas in der Nähe finden.«
»Gut. Und wo?«
Hagen sah aus dem Fenster. Auf die grauen Mauern des Botsen.
»Du machst Witze«, sagte Harry.
KAPITEL 14
Rekrutierung
B jørn Holm betrat das Sitzungszimmer der Kriminaltechnik in Bryn, als die Sonne draußen langsam der spätnachmittäglichen Dämmerung Platz machte. Der Parkplatz vor dem Haus quoll vor Autos über, und vor dem Eingang des Kriminalamtes auf der anderen Straßenseite stand ein weißer Bus mit einer Schüssel auf dem Dach und dem Logo des Norwegischen Rundfunks auf der Seite.
Nur eine weitere Person war im Raum: seine Chefin, Beate Lønn, eine ungewöhnlich blasse, schmächtige und stille Frau. Wer es nicht besser wusste, glaubte vielleicht, eine Frau wie sie könnte Schwierigkeiten damit haben, eine Gruppe erwachsener, hochprofessioneller, selbstbewusster, verschrobener und noch dazu ganz und gar nicht konfliktscheuer Kriminaltechniker zu leiten. Wer sie allerdings kannte, wusste, dass sie die Einzige war, die diese Leute im Griff hatte. Nicht in erster Linie aus Respekt davor, dass sie ungebrochen ihren Dienst leistete, obgleich sie schon von zwei Polizisten für immer hatte Abschied nehmen müssen – erst von ihrem Vater und dann auch noch von dem Vater ihres Kindes –, sondern weil sie die Beste von ihnen allen war und eine Unanfechtbarkeit, Integrität und Stärke ausstrahlte, dank derer Beate Lønns Befehle sofort ausgeführt wurden, auch wenn sie nur flüsternd und mit niedergeschlagenem Blick ausgesprochen wurden. Deshalb hatte auch Bjørn Holm alles stehen- und liegengelassen, sobald er die Nachricht erhalten hatte.
Sie saß auf einem Stuhl, der dicht vor dem Fernseher stand.
»Sie übertragen live von der Pressekonferenz«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Setz dich.«
Holm erkannte die Personen auf der Mattscheibe sofort. Es kam ihm merkwürdig vor, hier zu sitzen und sich Fernsehbilder anzusehen, die Tausende von Kilometern in den Weltraum geschickt worden waren, nur um zu zeigen, was exakt in diesem Augenblick auf der anderen Straßenseite vor sich ging.
Beate Lønn drehte den Ton lauter.
»Das ist so weit richtig«, sagte Mikael Bellman und beugte sich zu dem Mikrophon vor, das vor ihm auf dem Tisch stand. »Wir haben vorläufig weder eine Spur noch einen Verdächtigen. Und um es noch einmal zu wiederholen: Wir schließen nicht aus, dass sich die Verstorbene das Leben genommen hat.«
»Aber Sie sagten doch eben …«, ertönte eine Stimme aus der Menge der
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