Leopard
ein bisschen nützlich machen.«
Kaja Solness zog an ihrer Zigarette. Atmete aus und nahm noch einen Zug.
»Wirst du ruhiger?«, fragte Harry mit schiefem Grinsen.
Kaja schüttelte den Kopf und hielt die Zigarette vor sich. »Ich möchte gerne meinen Job behalten, Harry.«
Harry nickte. »Das Treffen ist freiwillig. Bjørn hat auch um Bedenkzeit gebeten.«
Kaja nahm noch einen Zug, während Harry seine Zigarette ausdrückte.
»Es ist an der Zeit zu gehen«, sagte er. »Deine Zähne klappern schon.«
Auf dem Weg nach draußen versuchte er zu erkennen, ob jemand in dem geparkten Wagen saß, aber dafür hätte er näher an das Fahrzeug herangehen müssen. Und das wollte er nicht.
In Oppsal wartete das Haus auf ihn. Groß, leer und voller Echos.
Er legte sich im Kinderzimmer aufs Bett, schloss die Augen und träumte den Traum, den er schon so oft geträumt hatte. Von einem Yachthafen in Sydney, einer Kette, die hochgezogen wurde, einer Feuerqualle, die zur Oberfläche stieg, die aber gar keine Feuerqualle war, sondern rote Haare, die ein weißes Gesicht umrahmten. Dann kam der andere Traum. Der neue. Der war erst in Hongkong aufgetaucht, kurz vor Weihnachten. Er lag da und starrte auf einen Nagel, der aus der Wand ragte und in dem das Gesicht einer sensibel aussehenden Person mit gepflegtem Schnäuzer steckte. Im Traum hatte Harry etwas im Mund, etwas, das sich so anfühlte, als wollte es seinen Kopf zerspringen lassen. Was war das, was war das? Es war ein Versprechen. Harry zuckte mit dem Kopf. Dreimal. Dann schlief er ein.
KAPITEL 28
Drammen
S ie haben also Adele Vetlesen vermisst gemeldet«, sagte Kaja.
»Ja«, antwortete der junge Mann, der ihnen im People & Coffee gegenübersaß. »Wir haben zusammengewohnt. Sie kam nicht nach Hause. Ich hatte das Gefühl, dass es da meine Pflicht war.«
»Natürlich«, sagte Kaja mit einem Blick zu Harry. Es war halb neun. Sie hatten eine halbe Stunde von Oslo nach Drammen gebraucht, nachdem das morgendliche Treffen mit Bjørn Holms Entlassung durch Harry beendet worden war. Er hatte nicht viel dazu gesagt, nur tief geseufzt, seinen Kaffeebecher ausgespült und war zurück ins Labor der Kriminaltechnik auf Bryn gefahren, um seine dortige Arbeit wiederaufzunehmen.
»Haben Sie etwas von Adele gehört?«, fragte der junge Mann und sah von Kaja zu Harry.
»Nein«, sagte Harry. »Und Sie?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf und warf einen Blick über die Schulter zum Tresen, um sicherzugehen, dass dort keine Kunden warteten. Sie saßen wie die Hühner auf der Stange auf Barhockern vor dem Fenster, das auf einen der vielen Plätze Drammens hinausging, in diesem Fall einen öffentlichen Parkplatz. People & Coffee verkaufte Kaffee und Backwaren zu Flugplatzpreisen und gab sich den Anschein, zu einer amerikanischen Kette zu gehören, was vielleicht sogar stimmte. Geir Bruun, der junge Mann, mit dem Adele Vetlesen die Wohnung geteilt hatte, sah aus wie um die dreißig, war ungewöhnlich bleich und hatte einen blanken, leicht schwitzenden Schädel über einem blauen, flackernden Blick. Er arbeitete in dem Lokal als Barista, ein Titel, der in den Neunzigern, als die ersten Coffeeshops Oslo eroberten, noch eine respekteinflößende Aura gehabt hatte. Ein Barista bereitet den Kaffee zu, eine Kunstfertigkeit, die – Harrys Meinung nach – vor allen Dingen darin bestand, offenkundige Fehler zu vermeiden. Als Polizist machte Harry sich anhand des Tonfalls einer Person, der Aussprache, Wortwahl und grammatikalischer Abweichungen, ein Bild von seinem Gegenüber. Geir Bruuns Art, sich zu kleiden, zu frisieren und zu bewegen, ließen einen nicht unbedingt auf schwul tippen, was sich allerdings schlagartig änderte, sobald er den Mund aufmachte. Es lag daran, wie er die Vokale abrundete, an den kleinen, überflüssigen Füllwörtern, an dem Lispeln, das irgendwie aufgesetzt wirkte. Natürlich war Harry sich im Klaren, dass der Bursche ein absolut straighter Heterosexueller sein konnte, trotzdem war er überzeugt davon, dass Katrine voreilige Schlüsse gezogen hatte, als sie Adele Vetlesen und Geir Bruun als Lebenspartner bezeichnet hatte. Eher handelte es sich um zwei Menschen, die sich aus ökonomischen Gründen eine Wohnung im Zentrum Drammens teilten.
»Doch«, sagte Geir Bruun auf Kajas Frage. »Ich kann mich erinnern, dass sie letzten Herbst in so einer Hütte in den Bergen war.« Aus seinem Mund klang das, als handele es sich um eine ihm völlig fremde
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