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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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–, im Gorilla Hotel, eine Adele Vetlesen als Übernachtungsgast gefunden. Der einzige Grund, weshalb Adele Vetlesen noch immer auf der Vermisstenliste geführt wurde, war die Tatsache, dass niemand wusste, wo sie sich momentan aufhielt, außerdem änderte eine Postkarte aus dem Ausland technisch gesehen nichts an ihrem Status als Vermisste.
    »Ganz davon abgesehen, geht es hier nicht gerade um den zivilisiertesten Teil der Welt«, sagte der Kommissar und breitete die Arme aus. »Huti, Tutsu oder wie immer sie heißen. Macheten. Zwei Millionen Tote. Sie verstehen, was ich meine?«
    Harry sah, dass Kaja die Augen schloss, als der Kommissar ihnen mit belehrender Stimme und vielen Nebensätzen erklärte, wie wenig ein Menschenleben wert war in Afrika, wo Menschenhandel alles andere als ein unbekanntes Phänomen war. Theoretisch wäre es also durchaus denkbar, dass Adele entführt und gezwungen worden war, die Postkarte zu schreiben. Es war schließlich bekannt, dass die Schwarzen bereit waren, einen Jahreslohn zu bezahlen, um ihre Zähne ins Fleisch eines blonden norwegischen Mädels schlagen zu können.
    Harry sah sich die Postkarte an und versuchte, die Stimme des Kürbiskopfes auszublenden. Ein kegelförmiger Berg mit in den Wolken verschwundener Spitze.
    Er hob den Kopf, als der Kommissar mit dem sich unmöglich zu merkenden Namen sich räusperte.
    »Na ja, man kann sie schon verstehen, was?«, sagte er und lächelte Harry kumpelhaft an.
    Harry erhob sich und sagte, dass in Oslo Arbeit auf ihn warte. Wenn Drammen dann so freundlich wäre, die Postkarte einzuscannen und per Mail zu schicken?
    »An einen Handschriftenexperten?«, fragte der Kommissar offensichtlich enttäuscht, als Kaja ihm eine Adresse reichte.
    »Ein Vulkanexperte«, klärte Harry ihn auf. »Schicken Sie das Bild bitte an ihn und fragen Sie, ob er den Berg identifizieren kann.«
    »Den Berg identifizieren?«
    »Er hat ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Interesse an Vulkanen. Er reist durch die Weltgeschichte und sieht sie sich an.«
    Der Kommissar zuckte mit den Schultern und nickte. Dann begleitete er sie zum Ausgang. Harry fragte, ob die Telefonate auf oder von Adele Vetlesens Handy nach ihrer Abreise überprüft worden wären.
    »Wir beherrschen unseren Job, Hole«, sagte der Kommissar. »Keine ausgehenden Gespräche. Aber wie Sie sich vorstellen können, ist es mit dem Mobilfunknetz in einem Land wie Ruanda nicht weit her …«
    »Eigentlich nicht«, sagte Harry. »Ich war noch nie dort.«
     
    »Eine Postkarte!«, stöhnte Kaja, als sie auf dem Parkplatz neben dem zivilen Einsatzwagen standen, den sie im Präsidium requiriert hatten. »Flugticket und eine Hotelübernachtung in Ruanda! Wieso hat dein Computerfreak in Bergen das nicht rausgefunden, dann hätten wir uns den halben Tag in fucking Drammen sparen können!«
    »Ich dachte, du würdest dich vor Freude überschlagen«, sagte Harry und schloss auf. »Du hast einen neuen Freund gewonnen, und Adele ist vielleicht doch nicht tot.«
    »Überschlägst du dich vor Freude?«, fragte Kaja.
    Harry schaute auf die Autoschlüssel. »Lust, zu fahren?«
    »Ja!«
    Seltsamerweise wurden sie an keiner Stelle geblitzt, obwohl sie in weniger als zwanzig Minuten zurück in Oslo waren.
     
    Sie beschlossen, zuerst die leichten Sachen, die Bürorequisiten und den Inhalt der Schreibtischschubladen, ins Polizeipräsidium zu tragen und mit den schweren Sachen bis zum nächsten Tag zu warten. Sie stellten alles auf den Rollwagen, den Harry mitgebracht hatte, als sie ihr Büro eingerichtet hatten.
    »Hast du endlich ein Zimmer?«, fragte Kaja, als sie den Tunnel halbwegs durchquert hatten. Ihre Stimme hallte mehrfach von den Wänden wider.
    Harry schüttelte den Kopf. »Wir bringen die Sachen in deins.«
    »Hast du um ein Büro gebeten?«, fragte sie und blieb stehen.
    Harry ging weiter.
    »Harry!«
    Er hielt an.
    »Du hast mich nach meinem Vater gefragt«, sagte er.
    »Ich wollte nicht …«
    »Nein, schon gut. Er hat nicht mehr lange zu leben. Okay? Danach mach ich den Abflug. Ich wollte nur …«
    »Wolltest was?«
    »Schon mal was von der Dead Policemen’s Society gehört?«
    »Was soll das sein?«
    »Leute, die im Dezernat für Gewaltverbrechen gearbeitet haben. Leute, die mir was bedeutet haben. Ich weiß nicht, ob ich das Gefühl habe, ihnen was schuldig zu sein, aber sie sind mein Stamm.«
    »Was?«
    »Das ist nicht viel, aber alles, was ich habe, Kaja. Das ist das Einzige, dem gegenüber ich

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