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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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verschwunden ist.«
    »Wieso ruft ihr nicht einfach dort an und bittet darum, dass sie im Gästebuch nachsehen?«
    »Weil die Håvasshütte nicht bewirtschaftet wird«, sagte Kaja, die auf dem Stuhl neben Harry saß. »Aber jeder, der in einer Touristenhütte übernachtet, muss sich ins Gästebuch eintragen, mit dem Vermerk, wohin man unterwegs ist. Das ist Vorschrift, falls jemand in den Bergen verschwindet, damit die Rettungstrupps wissen, wo sie mit ihrer Suche anfangen sollen. Ich hoffe, dass Adele und ihre Reisebegleitung sich mit vollem Namen und Adresse eingetragen haben.«
    Gunnar Hagen kratzte sich mit beiden Händen am Haarkranz. »Und nichts davon hat was mit den anderen Mordfällen zu tun?«
    Harry schob die Unterlippe vor. »Nicht, soweit ich es sehen kann, Chef. Was sagst du?«
    »Hm. Und wieso sollte ich das Reisebudget der Abteilung für einen so extravaganten Trip verpulvern?«
    »Weil Menschenhandel ein Verbrechen ersten Ranges ist«, sagte Kaja. »Rufen Sie sich nur die Pressemitteilung des Justizministers Anfang der Woche ins Gedächtnis.«
    »Ganz davon abgesehen«, sagte Harry, streckte sich und faltete die Hände hinter dem Kopf, »lässt sich unmöglich vorhersehen, ob dabei andere Dinge ans Tageslicht kommen, die zur Aufklärung noch wieder anderer Dinge beitragen.«
    Gunnar Hagen musterte seinen Kommissar nachdenklich.
    »Chef«, fügte Harry hinzu.

KAPITEL 30
     
    Gästebuch
     
    E in Schild an dem bescheidenen gelben Bahnhofsgebäude verkündete, dass sie in Ustaoset waren. Kaja warf einen Blick auf ihre Uhr und stellte fest, dass der Zug pünktlich war, 10.44 Uhr. Sie sah nach draußen. Die Sonne schien auf schneebedeckte Flächen und porzellanweiße Berge. Abgesehen von einigen wenigen Häusern und einem zweistöckigen Hotel war Ustaoset ein kahler Fels. Mit einigen verstreuten Gebirgshütten und dem ein oder anderen Busch, der sich bis in diese Höhen verirrt hatte. Einöde. Neben dem Bahnhofsgebäude, schon fast auf dem Bahnsteig, stand ein einsames Allradfahrzeug mit laufendem Motor. Vom Zug aus hatte es so ausgesehen, als stünde die Luft still, doch als Kaja auf den Bahnsteig trat, schien der Wind geradewegs durch ihre Kleider zu wehen, dabei trug sie Thermounterwäsche, Anorak und Skistiefel.
    Ein Mann sprang aus dem Auto und kam auf sie zu. Er hatte die niedrig stehende Wintersonne im Rücken. Kaja kniff die Augen zusammen. Federnder, selbstsicherer Gang, strahlendes Lächeln und eine ausgestreckte Hand. Sie erstarrte. Das war Even.
    »Aslak Krongli«, sagte der Mann und drückte fest ihre Hand. »Ich bin hier der Dorfpolizist.«
    »Kaja Solness.«
    »Es ist kalt, ja. Nicht so wie bei euch da unten, was?«
    »Stimmt«, sagte Kaja und erwiderte sein Lächeln.
    »Ich habe heute leider nicht die Möglichkeit, mit in die Håvasshütte zu kommen. Eine Lawine ist abgegangen, ein Tunnel gesperrt, und wir müssen den Verkehr umleiten.« Ohne zu fra gen, legte er sich ihre Skier über die Schulter und ging auf den Wagen zu. »Aber ich habe denjenigen, der die Aufsicht über die Hütte hat, überredet, Sie dorthin zu fahren. Odd Utmo. Ist das in Ordnung?«
    »Vollkommen«, sagte Kaja, der das ganz recht war. So blieben ihr vielleicht die Fragen erspart, warum sich die Osloer Polizei plötzlich für eine Vermisstensache aus Drammen interessierte.
    Krongli fuhr sie die knapp fünfhundert Meter bis zum Hotel. Auf dem schneebedeckten Platz vor dem Eingang saß ein Mann auf einem gelben Schneescooter. Er trug einen roten Overall, eine Pelzmütze mit Ohrenklappen, hatte sich einen Schal um den Mund gewickelt und eine große Sonnenbrille aufgesetzt.
    Als er seine Brille hochschob und seinen Namen murmelte, bemerkte Kaja, dass eins seiner Augen unter einem milchigen, durchsichtigen Schleier lag. Das andere musterte sie ohne Hemmungen von Kopf bis Fuß. Die aufrechte Haltung ließ den Mann jung wirken, aber sein Gesicht verriet, dass er alt war.
    »Danke, dass Sie so kurzfristig einspringen konnten«, sagte sie.
    »Ich krieg das bezahlt«, erwiderte Odd Utmo, schaute auf die Uhr, drückte den Schal nach unten und spuckte aus. Kaja sah das Metall einer Spange auf den vom Snus braunen Zähnen aufblitzen. Der Tabaksaft zeichnete einen schwarzen Stern in den Schnee. »Hoffe, Sie haben gegessen und gepisst?«
    Kaja lachte, aber Utmo hatte sich bereits rittlings auf den Schneescooter gesetzt und ihr den Rücken zugedreht.
    Sie sah zu Krongli, der in der Zwischenzeit ihre Skier und Stöcke neben denen von

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