Leopard
sich sammelte.
Vor der schwarzgebeizten Blockhütte schnallten sie die Skier ab und stellten sie an die Wand. Utmo zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und steckte ihn ins Schloss.
»Wie kommen die Leute rein, die hier übernachten wollen?«, fragte Kaja.
»Die kaufen sich einen Standardschlüssel. Der passt für alle vierhundertfünfzig Touristenhütten im ganzen Land.« Er drehte den Schlüssel herum, drückte die Klinke nach unten und wollte die Tür aufschieben. Nichts geschah. Er fluchte leise, stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür und presste sich dagegen. Sie löste sich mit einem wütenden, leisen Schrei vom Rahmen.
»Die Hütte schrumpft bei dieser Kälte«, murmelte er.
Drinnen war es stockfinster. Es roch nach Lampenöl und Holzfeuer.
Kaja inspizierte die Hütte. Sie wusste, dass die Hüttenordnung denkbar einfach war. Man kam, trug sich ins Gästebuch ein, belegte ein Bett oder eine Matratze, falls alle Betten belegt waren, feuerte den Kamin an, kochte in der Küche, in der es einen Ofen und Töpfe gab, sein mitgebrachtes Essen oder legte etwas Geld in die Dose, wenn man sich von den Konserven nahm, die in den Schränken lagerten. In die gleiche Dose legte man auch das Geld für die Übernachtung, wenn man keine einmalige Einzugsermächtigung ausfüllte. Die gesamte Bezahlung basierte auf Eigenverantwortung und Vertrauen.
Die Hütte hatte vier Schlafzimmer, die alle nach Norden wiesen, jeweils mit vier Schlafplätzen in zwei Kojen. Der Wohnraum wies nach Süden und war traditionell mit soliden Kiefernmöbeln ausgestattet. Es gab einen großen, offenen Kamin für die Gemütlichkeit und einen Ofen zum Heizen. Kaja schätzte, dass an dem großen Esstisch Platz für zwölf bis fünfzehn Personen war und es etwa doppelt so viele Schlafplätze gab, wenn man sich zusammendrängte und die Matratzen auf den Boden legte. Sie stellte sich vor, wie das Licht der Kerzen und des Kaminfeuers auf die Gesichter von Bekannten und Fremden fiel, während man sich Bier oder Wein trinkend über die Tour hierher unterhielt oder darüber, was man sich für den nächsten Tag vorgenommen hatte. Even strahlte sie aus dem Gesicht mit dem rötlichen Bart an und prostete ihr aus der ins Dunkel gehüllten Ecke des Raumes zu.
»Das Gästebuch ist in der Küche«, sagte Utmo und deutete auf eine der Türen. Er stand ungeduldig in der Tür und hatte weder Mütze noch Handschuhe abgelegt. Kaja legte die Hand auf die Klinke und wollte sie nach unten drücken, als es sie erneut überkam. Dieser Polizist, Krongli. Er hatte ihm so ähnlich gesehen. Sie hatte gewusst, dass sich die Erinnerung wieder melden würde, nur nicht, wann.
»Könnten Sie diese Tür für mich öffnen?«, bat sie.
»Häh?«
»Sie klemmt«, sagte Kaja. »Die Kälte.«
Sie schloss die Augen, als sie ihn kommen hörte, registrierte, wie lautlos die Tür sich öffnen ließ, und spürte seinen skeptischen Blick. Dann öffnete sie wieder die Augen und ging hinein.
In der Küche roch es streng nach Fett. Ihr Puls wurde schneller, als ihr Blick über die Ablagen und Schränke huschte. Schließlich entdeckte sie das schwarze Lederbuch auf dem Küchentisch unter dem Fenster. Es war mit einer blauen Nylonschnur an der Wand befestigt.
Kaja holte tief Luft. Sie ging zum Buch. Schlug es auf.
Seite auf Seite handschriftliche Namenszüge, von den Gästen selbst hineingeschrieben. Die meisten hatten wie vorgesehen auch ihr nächstes Ziel eingetragen.
»Ich wollte übers Wochenende hierher, da hätte ich das Buch für Sie prüfen können«, hörte sie Utmo hinter sich. »Aber Sie konnten ja nicht warten.«
»Nein«, sagte Kaja und blätterte weiter. November. 6. November. 8. November. Sie blätterte zurück. Und wieder vor. Sie war nicht da. Die Seite vom 7. November fehlte. Sie klappte das Buch ganz auf. Aus dem Bund des Buches ragten die Reste der Seite. Jemand hatte sie herausgerissen.
KAPITEL 31
Kigali
D er Flughafen in Kigali, Ruanda, war klein, modern und überraschend gut organisiert. Andererseits hatte Harry die Erfahrung gemacht, dass internationale Flughäfen wenig bis nichts über das Land aussagten, in dem sie lagen. In Mumbai, Indien, herrschten Ruhe und Effektivität, auf dem JFK -Flughafen in New York Paranoia und Chaos. Harry bewegte sich mit der Schlange vor der Passkontrolle ruckweise vorwärts. Trotz der gemäßigten Temperatur fühlte er, wie ihm unter dem dünnen Baumwollshirt der Schweiß zwischen den Schulterblättern
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