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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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geschmeichelt, zufrieden. »In kleinen Nationen wie Belgien muss man über den Tellerrand schauen, man darf sich nicht abkapseln.«
    »Gut«, sagte Harry, wandte sich nach rechts und sah zwei uninteressierte Augenpaare auf sich gerichtet. Das eine auf einem gerahmten Porträt in der Ecke über dem Bett. Es zeigte eine Person mit einem langen grauen Bart, einer kräftigen, vorspringenden Nase, kurzem Haar, Epauletten, einer Kette und einem Säbel. König Leopold, wenn Harry sich nicht irrte. Das andere Augenpaar gehörte einem Mädchen, das auf der Seite im Bett lag, den Zipfel einer Decke über die Hüfte drapiert. Das Licht aus dem Fenster über ihr fiel auf ihre kleinen prallen Brüste. Sie beantwortete Harrys Nicken mit einem kurzen Lächeln, das einen großen Goldzahn zwischen den übrigen weißen Zähnen entblößte. Sie war auf keinen Fall älter als zwanzig. An der Wand hinter der schlanken Taille sah Harry einen Bolzen in dem bröckeligen Putz, an dem ein Paar rosa Handschellen hingen.
    »Meine Frau«, sagte der schmächtige Belgier. »Zumindest eine von ihnen.«
    »Miss van Boorst?«
    »So ähnlich. Sie wollen kaufen? Haben Sie Geld?«
    »Erst will ich sehen, was Sie haben«, sagte Harry.
    Eddie van Boorst ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und schaute nach draußen. Dann schlug er sie wieder zu und schloss ab. »Haben Sie außer Ihrem Chauffeur noch jemanden mitgebracht?«
    »Nein.«
    Van Boorst paffte an seiner Zigarette, während er Harry zwischen den Hautfalten seiner zusammengekniffenen Augen hindurch musterte.
    Schließlich trat er in eine Ecke des Zimmers, schlug einen Teppich zur Seite, bückte sich und zog an einem Eisenring. Eine Luke öffnete sich. Der Belgier winkte Harry zu sich und forderte ihn auf, als Erster in das Loch hinabzusteigen. Harry vermutete, dass diese Maßnahme auf Erfahrung beruhte, und folgte van Boorsts Befehl. Eine Leiter führte in rabenschwarze Finsternis. Nach der siebten Sprosse hatte Harry wieder festen Boden unter den Füßen. Gleich darauf leuchtete eine Lampe unter der Decke auf.
    Harry stand in einem Raum mit normaler Deckenhöhe und ebenem Zementboden. Regale und Schränke bedeckten drei Wände, übervoll mit Waren: gebrauchte Glock-Pistolen, seine Smith & Wesson Kaliber .38, Munitionsschachteln, eine Kalaschnikow. Harry hatte das berühmte russische Maschinengewehr mit dem offiziellen Namen AK -47 noch nie in der Hand gehabt. Er strich mit den Fingern über den Holzschaft.
    »Ein Original aus dem ersten Produktionsjahr 1947«, sagte van Boorst.
    »Hier scheint fast jeder eine zu besitzen«, sagte Harry. »Afrikas weitverbreitetste Todesursache, habe ich gehört.«
    Van Boorst nickte. »Aus zwei simplen Gründen. Als die kommunistischen Länder nach dem Kalten Krieg die Kalaschnikow hierher exportierten, kostete das Gewehr so viel wie ein fettes Huhn in Friedenszeiten. Und nicht mehr als hundert Dollar in Kriegszeiten. Außerdem funktioniert sie immer, egal was man damit anstellt, und das ist in Afrika überlebenswichtig. In Mosambik lieben sie ihre Kalaschnikows so sehr, dass sie sie sogar auf ihrer Landesfahne haben.«
    Harrys Blick blieb an den Initialen hängen, die diskret einen schwarzen Koffer schmückten.
    »Ist das, was ich glaube, dass es ist?«, fragte Harry.
    »Märklin«, sagte van Boorst. »Ein seltenes Gewehr. Viel zu schwer und viel zu grobes Kaliber. Für die Elefantenjagd.«
    »Und für die Menschenjagd«, sagte Harry leise.
    »Kennen Sie die Waffe?«
    »Das Zielfernrohr mit der besten Optik der Welt. Nicht unbedingt notwendig, um einen Elefanten aus hundert Meter Entfernung zu treffen. Das ist eine reine Attentatswaffe.« Harry strich mit den Fingern über den Koffer, während die Erinnerungen Revue passierten. »Ja, ich kenne sie.«
    »Ich überlasse sie Ihnen günstig. 30 000 Euro.«
    »Ich bin diesmal nicht in Sachen Gewehre unterwegs.« Harry drehte sich zu dem offenen Regal in der Mitte des Raumes um, aus dessen Fächern ihn weißbemalte, groteske Holzmasken anstarrten.
    »Geistermasken der Mai-Mai«, sagte van Boorst. »Sie glaubten, wenn sie in heiligem Wasser badeten, könnten die Kugeln ihrer Feinde sie nicht verwunden, weil die Kugeln dann auch zu H 2 O würden. Die Mai-Mai-Guerilla ist mit Pfeil und Bogen gegen das Regierungsheer in den Krieg gezogen, Duschhauben auf dem Kopf und Badewannenstöpsel als Amulette. I’m not kidding you, Monsieur . Natürlich wurden sie niedergemetzelt. Aber sie mögen Wasser, die Mai-Mai. Und

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