Ler-Trilogie 01 - Morgenrötes Krieger
geschlechtsspezif i schen Unterschiede mit dem Alter immer stärker ab), begreiflich gemacht zu haben, daß er nichts von alldem verstehen konnte, was er, sie oder es gesagt hatte. Han versuchte etwas zu sagen, wurde aber von dem Alten unterbrochen, der etwas murmelte und dabei auf den B o den zeigte. Dies sollte wohl bedeuten: Warte hier! Dann ging er zurück in den yos . Han wartete.
Gleich darauf erschien eine jüngere Gestalt am Ei n gang, warf einen kurzen Blick in den Hof und ve r schwand wieder. Sekunden später tauchte sie wieder auf. Han glaubte, eine junge Frau vor sich zu haben – reif und fruchtbar –, denn sie trug ein Baby auf dem Arm. Dann hörte er „ihre“ Stimme.
„Ja? Was willst du hier?“ Han hatte ein unwirkliches Gefühl. Die Stimme war ganz eindeutig männlich. Er verspürte so etwas wie einen Anflug von Wahnsinn, w o bei er sich – idiotisch genug – an einen Spruch erinnerte, den er in einer klassischen Erzählung gelesen hatte: Wenn du glaubst, wahnsinnig zu werden, so bedeutet dies, daß du es nicht bist. Er entschloß sich, irgend etwas zu antworten.
„Ich heiße Han Keeling, Händler und Raumfahrer. Ich hatte einen Unfall und mußte mein Schiff verlassen. Ich landete nördlich von hier, vor etlichen Tagen – ich weiß nicht mehr, wie viele es waren. Ich bitte um Hilfe und Gastfreundschaft.“ Es war die längste Rede, die er seit langem gehalten hatte. Seine eigene Stimme klang ihm fremd in den Ohren.
„Ich heiße Dardenglir. Du mußt unser merkwürdiges Verhalten entschuldigen, aber wir leben hier fern der Z i vilisation und sehen nur selten Menschen. Kaum einer von uns beherrscht die Allgemeinsprache. Dies hier ist ein altes Dorf, und die meisten von uns sind schon seit einigen Generationen hier. Ich selbst stamme nicht von hier, aber mein eigenes Dorf ist ebenso isoliert und abg e legen. Aber natürlich werden wir dir helfen. Was brauchst du?“
„Etwas zu essen, ein paar Tage Ruhe und einen Tip, in welche Richtung ich gehen muß. Ich versuche das Gebiet um die Hauptstadt zu erreichen.“
„Ich verstehe. Wird nicht schwer sein. Wenn du mit unserem Haus vorliebnehmen willst?“ Die Worte klangen seltsam in ihrer Art. „Es ist im Augenblick ein bißchen voll bei uns; wir hatten heute nacht eine Geburt und sind lange aufgeblieben, um das Ereignis zu feiern. Aber wir haben noch Platz für dich und auch Nahrung, Wärme und nette Leute. Wir werden schon eine Schlafstelle finden.“
„Ich bin dir sehr zu Dank verpflichtet, Dardenglir.“
„Dann komm herein.“ Er wartete nicht, sondern drehte sich um und verschwand im Haus. Han konnte ihn dri n nen reden hören. Er folgte ihm, kletterte die Stufen hoch und betrat durch den Vorhang den yos.
Der Innenraum war kreisförmig, eingerahmt von e i nem breiten Bord, das von runden Löchern unterbrochen wurde; zur Linken eine Plattform, die als Herdstelle die n te und von der aus durch einen verkleideten Kami n schacht der Rauch durch die Decke abzog. Überall sah er Kerzen, Lichter und Leute. Sie muteten ihn fremdartig an, aber er hatte den gleichen Gedanken wie alle Gerett e ten: Es waren lebendige Wesen. Er blinzelte in die He l ligkeit des Raumes hinein.
Während einer von ihnen etwas von dem restlichen Festessen für ihn zusammensuchte, stellte Dardenglir die übrigen vor. Es waren zwei Babys, ein kleines Mädchen, vier Erwachsene und vier Alte; eine vollständige Webe mit allen drei Generationen – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Kein Zweifel, Dardenglir war männlichen Geschlechts – aber Han sagte nichts.
Es war in der Tat eine Geburtsfeier. Eine der Frauen war offensichtlich in dieser Nacht niedergekommen, denn sie lag hingestreckt in einigen Kissen, nackt, mit gerötetem, glücklichem Gesicht und einem Baby, das an ihrer Brust nuckelte. Han bemerkte, daß die Nabelschnur noch nicht abgebunden war. Alle schauten mit größter Neugier auf ihn, während Dardenglir in Multi-Sprache auf sie einredete. Dann lächelten sie und winkten ihn zur Herdstelle.
„Iß und trink. Sei glücklich mit uns. Im Hof steht ein Trog zum Waschen, und hier, zu deiner Rechten, kannst du schlafen.“
Han nickte, in der Hoffnung, daß es als höfliche Geste verstanden wurde, und nahm dankbar an, was man ihm angeboten hatte. Er aß, ging nach draußen und wusch sich im eiskalten Wasser, kehrte dann ins Haus zurück und verkroch sich in einen dunklen, kleineren Raum; dort fand er etwas Weiches, Deckenähnliches, zog es über sich und
Weitere Kostenlose Bücher