Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
nicht vom Aspekt Feuer, hatte er denn nicht auch einen Willen? Da war ein Konflikt, hier konnte es nur um Feuer gehen – und dann Schluß.
Erschüttert zog er sich von dem schlafenden Mädchen zurück, und jetzt war er wieder in der realen Welt. Oder etwa nicht? Er sah und verstand nicht. Jetzt erinnerte er sich wieder, und immer noch begriff er nicht. Er sah wieder auf Sanjirmil hinab. Sie bewegte sich unruhig im Schlaf und murmelte jetzt etwas, das unverständlich war, das tastende Suchen ihrer Augen hörte auf. Sie hatte einen Traum durchlebt, den nur sie kannte, und Morlendens Hände zitterten, und es kribbelte darin, als ob er einen elektrischen Schock erlitten hätte. Das war das Spiel gewesen, ganz bestimmt war es das gewesen, aber in einer Form, die er nie gesehen hatte, an einem Ort, den er sich nicht vorstellen konnte. Er versuchte sich zu erinnern: Das Bild war verschwommen und verzerrt durch den Traum eines anderen, aber er konnte es im Groben erkennen – er hatte sich innerhalb einer verstellbaren Liege befunden, die den Umrissen seines Körpers folgte und leicht geneigt war; seine Hände lagen an den massiven, um ihn herum angeordneten Schalttafeln. Aber all dessen war er sich kaum bewußt gewesen, da er total von der Konzentration auf den gigantischen Spielschirm in Anspruch genommen war, der sich über ihm wölbte, über ihnen allen, und die winzigen Geschöpfe noch kleiner erscheinen ließ, die die fliegenden Gestalten manipulierten, welche davonjagten und sich auf der Oberfläche verwandelten. Morlenden konnte sich nicht vorstellen, was es war, was er da gesehen hatte, worin er da gesteckt hatte. Die Umgebung war abstrakt und fremd. Aber es konnte keinen Irrtum geben über die Zuversicht, die Arroganz der Senderin, des Mädchens, das da vor ihm lag und dessen Anspannung sich jetzt wieder lockerte, das wieder in tieferen Schlaf zurücktrieb, der beinahe angenehm zu nennen war, von exotischer Form und Farbe; unschuldig träumte sie in den grauen Morgenstunden eines regnerischen Wintertages. Sie bewegte sich ein wenig, wobei sich ihre Lage etwas veränderte, ihre Decken in Unordnung gerieten, die nun ihren Duft ausströmten, immer noch denselben herb-süßen, betörenden Duft des warmen, heranreifenden Mädchens, wild, nur Körper. Morlenden zitterte heftig wegen der Gegensätze, die Sinne und Erinnerungen in ihm entstehen ließen. Rasch schloß er seinen Überwurf und schlüpfte, so schnell er konnte, aus dem Raum. Und als er sorgfältig die Tür hinter sich zuzog, draußen in dem kalten und zugigen Flur, da wußte er, daß, wie unerschrocken auch immer die Worte geklungen hatten, die er gebraucht hatte, er doch große Angst hatte vor diesem unbekannten, diesem unbegreiflichen Wesen, das in dem geschmeidigen, braunen Körper von Sanjirmil, die einst Ajimi war, konzentriert war.
Er eilte durch den Flur und dann die Treppe hinunter, die leer war wie am Abend zuvor, halb dunkel, beeilte sich, weil er eine drückende Gefahr spürte, eine mörderische Bedrohung, ein beunruhigendes Drängen, das ihn dazu veranlaßte, sofort hinauszugehen. Die Alternative zu der Suche nach Maellenkleth war die, so schnell er konnte aus der Angelegenheit herauszukommen. Plötzlich wollte er gar nicht mehr wissen, wie Maellenkleth dorthin gekommen war, wo immer sie sich jetzt aufhielt; er wollte das Ganze vergessen und alles Geld der Perwathwiy und allen ihren Anhängern zurückgeben.
Aber als er unten angekommen war, fühlte er, wie ihm der Verstand zurückkehrte, die alte Vernunft, die vertraute Entschlußkraft und die alte Neugier und das Selbstvertrauen. Er betrat das Refektorium und sah wieder Leute, und wenn sie auch nicht sprachen, da sie geschworen hatten zu schweigen, beruhigte es ihn doch. Er dachte an Fellirian und ihre Gelassenheit, ihr gemessenes Tempo, ihre ruhige Entschlossenheit, sich dem hier zu unterziehen, obwohl sie doch in vielem die gleichen bösen Ahnungen hatte wie er. Der Gedanke an seine Partnerin, innenverwandte Schwester, Mitgattin, Kameradin und, selten, Geliebte, ernüchterte ihn. Er ertappte sich plötzlich dabei, daß er wünschte, von der Vergangenheit, der Erinnerung frei zu sein. Und dann von dieser mit einem Mal ungewissen Zukunft; fest entschlossen zu sein. Er sah sich um und erblickte ein paar Gäste an ihren Tischen, die alle aus Respekt vor den Mitgliedern der Granithütte im Ritual des Schweigens befangen waren, genau wie die Mitglieder selbst, von denen ein paar anwesend waren.
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