Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Erfahrenen. Ich weiß, daß es dort draußen um hohe Einsätze geht, um das Gewinnen und Verlieren ganzer Welten. Vielleicht hier drinnen auch. Aber ich habe meine eigenen Werte, meine eigenen Interessen. Und es scheint viel zuviel im Gange zu sein, als daß man zulassen könnte, daß es nur deswegen im Verborgenen bleibt, weil es sich vielleicht um ein heikles Kultdogma handelt! Ich bin zumindest mir selbst, da ich diese Person jetzt anscheinend gefährde, die Wahrheit schuldig, und natürlich verdient es auch die Perwathwiy, das zu bekommen, wofür sie bezahlt hat. Deshalb will ich herausbekommen, wie Maellenkleth dahin geriet, wo sie nun ist.“
„Obwohl du weißt, daß du dich an der Schwelle zu Dingen befindest, deren Zeuge du zu diesem Zeitpunkt noch nicht werden darfst?“
„Allerdings. Genau das weiß ich. Aber habe keine Angst; ich bin von Natur aus verschwiegen und werde jedes Geheimnis, das ich aufdecke, für mich behalten.“
„Du nimmst an, daß du sie einfach so am Wegesrand findest, wie Steine auf einem Pfad?“
„Natürlich! Eine ausgezeichnete Art, es auszudrücken! Ich hätte es nicht besser sagen können, verschiedene interessante Steine dieser Art umgedreht, Dinge, von denen ich eigentlich annehme, daß man sie nicht einfach so verstreut herumliegen läßt.“
„Morlenden, Morlenden, ich bitte dich dringend, dich zurückzuhalten, ich warne dich! Wir sind kein Rätsel, das gelöst werden muß, kein Rätsel, das der Neugierige entschlüsseln sollte …“
„… sondern ein Geheimbund, vor dem wir uns zu fürchten haben? Während ihr seelenruhig über uns anderen steht? Das mußt du schon etwas genauer erklären!“
„Ich kann nicht, ich kann es einfach nicht. Ich würde viel verlieren, angefangen bei dir. Das wirst du mit der Zeit noch einsehen und auch, warum es so ist, obwohl ich von ganzem Herzen wünsche, daß es nicht dazu käme.“
„Also gut“, sagte er beinahe grimmig. „Ich habe sie wohlverstanden, alle deine Warnungen. Aber ich mache weiter.“
„Wie weit?“
„Bis zum Schluß.“
„Dann kann ich nicht die Verantwortung übernehmen, kann dir in nichts verpflichtet sein.“
„Wofür?“
„Für das, was vielleicht geschehen wird … man vermutet, daß Maellenkleth in eine raffinierte Falle gegangen ist, in eine, die noch nie zuvor jemandem gestellt wurde. Vielleicht ist sie sogar jetzt für dich gestellt, falls du ebenfalls hingehst.“
„Ich werde es darauf ankommen lassen und mich auf mein Geschick verlassen. Sie hat es darauf ankommen lassen und ist hingegangen, einfach so; ich kann nicht weniger tun, bei dem wenigeren, das ich zu verlieren habe.“
Diesen letzten Worten hatte Sanjirmil nichts mehr zu entgegnen, und so saß sie eine ganze Weile da, ohne etwas zu sagen; ihre Augen waren völlig dem blinden, tastenden Suchen hingegeben, bar jeden Ausdrucks. Schließlich stand sie müde vom Bett auf, als ob sie irgendeinen schweren inneren Kampf durchgefochten hätte. Sie bewegte sich zu der Stelle hin, wo Morlenden auf der Bettkante saß und beugte sich vor. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände, welche heiß und trocken waren, und drückte sein Gesicht gegen ihren Leib. Ihre Muskeln waren gespannt wie ein Seil. Sie zitterte.
Sie zog sein Gesicht zu sich empor, indem sie es gegen ihre Brüste drückte, und sah ihm dann mit einem glühenden Blick in die Augen, von dem Morlenden nicht wußte, ob er ihn unbestimmt lange ertragen könnte, so intensiv war er. Langsam sagte sie: „Ich werde dich nicht fragen, ob du mit mir schlafen willst; ich will dich immer noch, ich erinnere mich noch zu gut an die Vergangenheit, und ich weiß auch, daß du jetzt unerreichbar bist für mich. Aber ich werde dich um einen letzten Kuß bitten.“
„Einen letzten Kuß?“
„Einen Kuß vor dem Schlafengehen, auf daß wir einander so in Erinnerung behalten mögen, wie wir einst waren.“
Sie beugte sich weiter hinab und preßte ihre Lippen auf die seinen, wie ein Kind, mit entspannten Lippen; sie machte keinen Versuch, sie zu formen. Während sie sich berührten, spürte Morlenden, wie das Bild der Vergangenheit in seiner Erinnerung auftauchte, wie es immer plastischer wurde, wie es mit der Gegenwart eins wurde. Bei all ihrer Aggressivität und Streitlust, so erinnerte er sich genau, war Sanjirmil doch von Anfang an scheu beim Küssen gewesen, nicht auf neckische, falsche Art scheu, sondern ganz wahrhaftig, so als ob sie Angst davor hätte, ein Stück ihrer selbst zu geben, Angst
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