Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Wirklich merkwürdig, daß sie so davon geprägt war, daß sie sogar auf diese Weise träumte. Wovon träumte sie gerade? Vom Inneren Spiel? Gleichzeitig bemerkte er, daß ihre Lippen sich ebenfalls bewegten, als spräche sie im Schlaf, aber er hörte keinen Laut. Er beugte sich weiter hinunter und versuchte, etwas zu hören, den Modus herauszubekommen, genau zu lauschen, da er wußte, daß er selbst, falls sie die Multisprache spräche, kaum in Gefahr wäre, weil es seinerseits keinerlei Synchronisierung und keinerlei Hingabe geben würde. Ihn konnte es nicht erwischen.
Da war es, und er fing einen Bruchteil davon auf, eine eigenartige Form, einen ungewöhnlichen Modus, den er nicht ganz genau erkennen konnte, etwas, das dem Modus des „Eins-zu-vielen“ ähnelte, aber mit einem eigenartigen Zusatz, einem gewissen Etwas, einer Synkopierung der Rhythmen, beinahe so, als kontrollierte sie auf irgendeine Weise die Handlungen eines anderen, mehrerer anderer, von dreien. Er bekam auf einmal rasche visuelle Eindrücke. Die visuellen Eindrücke blieben haften. Und jetzt, da er die ganze Kraft dessen, was sie im Schlaf aussandte, empfing, wurde Morlenden in einem eisernen Netz der Multisprache vom Typ der alles überwältigenden Befehlsgewalt festgehalten, und er sah und spielte seine Rolle und verstand nicht, was er sah und tat, aber er spielte mit großer Eindringlichkeit die Persona, die durch Sanjirmil übertragen wurde, weil er nicht anders konnte als genau die Instruktionen zu befolgen, die ihm gegeben wurden. Er hatte nicht die Wahl zwischen Ungehorsam oder Überlegen; und er hörte nicht, weil Sanjirmil durch den Ton und die Modulation und das Erbe des Volkes irgendwie ihre eigene Persona direkt in seinen Geist eingebracht hatte, und er setzte Spielfertigkeiten ein, von denen er nicht wußte, daß er sie besaß. Ein einziger Wille durchdrang alles, eine Kraft erfüllte ihn mit Energie, mit Schwung, mit Geschicklichkeit und Macht: Hölle und Tod strömten ihm die Arme entlang bis in seine Hände, die währenddessen wie rasende Schmetterlinge über eine Schalttafel flogen, die ihn einzukreisen schien, ringsum, wohin er auch greifen mochte. Es war natürlich das Spiel, und er konnte es über sich sehen; er war zurückgelehnt, sah nach oben, tastete mit den Augen eine Decke ab, die gänzlich aus einer leicht geschwungenen Schautafel bestand, auf der es wimmelte von Mustern aus Licht, Farbe und Dunkelheit, wobei sich die Formen und Muster mit schrecklicher Dringlichkeit und Direktheit wandelten, entfalteten, sich verlagerten. Etwas war im Kommen, und sie löschten es aus mit einer Bewegung, die den Rest dazu brachte, zu erzittern und sich zu verlagern und Teile von sich abzustoßen. Wellen des Wandels, der Zerstörung und des sich wieder Ordnens strömten über das Feld. Da war noch mehr, und es ging weiter mit wachsender Intensität, aber er spürte nichts als Zuversicht, Triumph, den Anschein von etwas, was endlich Wirklichkeit wurde, er hatte das Gefühl, siegreich zu sein, irgend etwas anderem eine Vorstellung aufzuzwingen, und dann kam ein furchtbarer Schlag, den sie alle zusammen ausführten und der die mehrfache Verkörperung zurückfahren, zurückschrecken, vor Entsetzen weichen ließ, aber sie konnten nicht darüber nachdenken; sie mußten weiter. Er verspürte das Frohlocken, das sie, die steuerte, ausstrahlte, und er erfreute sich daran: Triumph, Selbstbehauptung, die absolute Freude darüber, die ungeheuerlichsten Verbrechen und Grausamkeiten gegenüber dem meistgehaßten Feind zu verüben, über etwas, was man haßte und fürchtete und vor dem man sich vor nicht allzu langer Zeit noch versteckt gehalten hatte. Als sich langsam wieder ein Gleichgewicht einstellte, geschah dann etwas, was ihm unverständlich war. Eine lange gespeicherte, in den Gefängnissen der gefühllosen Materie gefangene, starre Energie sprang jetzt in Freiheit und floh schreiend gen Himmel; es gab Feuer und Gemetzel.
Morlenden wußte, daß er irgendwie auf die Steuerung, den Willen positiv reagierte, aber bis jetzt hatte er noch nicht versucht, sich selbst zu behaupten. Jetzt tat er es. Es hatte lange genug gedauert. Und er sah sich selbst jetzt als Weisen, als Gouverneur, als ausgleichende Kraft gegenüber Exzessen, als Barriere vor Impulsen, die noch heftiger waren als die, die er schon gesehen hatte. Wie das Öl auf den Gewässern suchte er mittels Feedback das, was sie alle taten, zur Ruhe zu bringen; schließlich – war er etwa
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