Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Frau überlegte, lavierte, zögerte, schlug einen anderen Kurs ein. „Sie erzählten uns vorhin etwas über die Ler-Familie, aber kaum etwas darüber, warum so ein Gebilde entsteht. Gibt es einen genetischen Grund dafür?“
„Höchstens einen antigenetischen. Wir haben eine niedrige Bevölkerungszahl und eine hohe Mutationsrate; daher wollen wir eine homogene Bevölkerung. Auch haben wir festgestellt, daß die Familie mit der Zeit größer, stärker gegliedert, wichtiger wird. Was wir heute haben, dient der Kreuzung untereinander in durchaus vernünftigem Rahmen, schafft soziale Stabilität, ermöglicht einen kontrollierten Wandel und ist bis jetzt der beste Kompromiß angesichts unserer speziellen Aktiva und Passiva. Ich will an dieser Stelle noch hinzufügen, daß es eine unvorhergesehene Folge der von den Weben angewandten Kriterien gibt: Mit den Jahren tendiert eine Webe dazu, mit einer anderen in Resonanz zu kommen, so daß derartige Gruppen schließlich das bilden, was wir ‚partielle Oberfamilie’ nennen – bis diese durch das Ende einer der beteiligten Weben oder durch das Aufkommen einer Blutrache wieder aufgehoben werden. Auf diese Weise ist meine Webe in Resonanz mit dem Klanh Moren: Der Thes der einen Webe wird zu einem der künftigen Elternteile der anderen.“
„Sie verwenden nicht die menschliche Terminologie, um die Beziehungen in Ihrer Familie zu beschreiben?“
„Nein. Auch nicht die Inhalte.“
„Dann muß der Sinn der Resonanz der sein, die Variabilität zu vermindern. Sie verstärkt die Ordnung, statt das Zufallsprinzip, dem Sie an sich zu huldigen scheinen, weiterzuführen.“
„Das ist richtig. Wir sind uns des Problems bewußt. Ja, es wurde bereits in Erwägung gezogen, ein solches Verhaltensmuster für unerwünscht zu erklären und zu untersagen. Aber das ist zur Zeit nicht der Fall. Einer der Gründe dafür, warum die derzeitige Praxis weitergeführt wird, ist der, daß bei einer derart geringen Bevölkerungszahl, wie sie bei uns besteht, wir alle ohnehin verhältnismäßig eng miteinander verwandt sind. In Ihren Begriffen ausgedrückt heißt das, daß wir alle mindestens Cousins sechsten Grades oder so sind. Im Moment hat die Resonanz einer Oberfamilie mit einem Webpaar keinen nennenswerten Effekt. Eine Dreiergruppe, die über mehrere Generationen hinweg aufrechterhalten würde, wäre und ist natürlich nicht gestattet. Ich nehme aber an, daß später, wenn unsere Bevölkerungszahl viel höher ist, das heißt in die Hunderttausende geht, Resonanz jeglicher Art verboten sein wird. Es ist zwar, wie Sie sagten – die Resonanz bewirkt eine größere Ordnung. Aber Sie müssen auch sehen, daß unsere ältesten Weben heute, was die künftigen Erwachsenen betrifft, erst in der vierzehnten Generation stehen.“
Die Frau wirkte verlegen. Sie zögerte, als wartete sie auf irgend etwas, verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, wodurch an ihren Kleidern vorübergehende schwere Falten kamen und gingen. Ihre Kleider waren aus einem schweren, steifen, dunklen Material, das ein wenig glänzte und mehr für Möbel oder Vorhänge bestimmt zu sein schien als für Kleidungsstücke. Überdies war das Ganze auf eine Weise gemacht, die voller Plissees, Falten, Biesen, Abnäher war und den Eindruck zusätzlicher Fülle erweckte. Die Frauen trugen Röcke, die auf unelegante Weise bis unter die Knie fielen, während die Männer an deren Stelle schwere, übergroße Hosen trugen. Die Oberbekleidung, welche aus mehreren Lagen von Unterhemden, Hemden, Westen und diversen Accessoires bestand, war ähnlich und in dem gleichen Stil. Fellirian beobachtete die Frau genau, wobei sie die anderen im Augenwinkel behielt. Die Frau schien auf ein Stichwort zu warten.
Ein nicht weit von der Frau entfernt sitzender Mann räusperte sich und fragte höflich: „Vierzehn? Mehr nicht?“
Die Frau setzte sich anscheinend sehr erleichtert wieder auf ihren Platz. Fellirian antwortete: „Ganz recht, vierzehn. Die Generation, der ich selbst bei den Derens angehöre, ist erst die elfte Generation. Unter den alten Familien sind wir relative Neulinge.“
„Lassen Sie mich darüber nachdenken“, sagte der Mann halb zu sich selbst. „Das würde bedeuten, daß, pro Generation dreißig Jahre gerechnet, der Erstgeborene der ältesten Generation um 2050 oder 2060 geboren wurde. Stammt aber die Familienstruktur der Weben nicht von einem späteren Zeitpunkt, nämlich aus dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert?“
Bei
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