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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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ärgern, deshalb wartet sie weiter auf dem Sockel von Karl Johann, sicher, daß er zurückkommen und sie finden wird.
    Und das tut er tatsächlich nach erstaunlich kurzer Zeit. Er ist noch immer in Uniform, aber hinter der militärisch strengen Kleidung und dem Federbusch ahnt Ragnhild einen ländlich-stattlichen Bauernjungen mit dunklem, lockigem Haar und kräftigen Fäusten. Er hat frei für zwei Stunden, während derer er und sein uniformierter Kamerad, der ihm auf den Fersen folgt, die Erlaubnis haben, auf der großen Straße, die zum Schloß hinaufführt, der Karl-Johanngate, auf- und abzuspazieren. Also tun sie das, Ragnhild und er, und flanieren auf der belebten Straße auf und ab, und der Kamerad folgt in respektvollem Abstand. Ragnhild weiß nicht, was ihr mehr imponiert, die großen schönen Gebäude oder die kraftvolle Gestalt, die an ihrer Seite geht und ihren Koffer trägt. Sie hat das merkwürdige Gefühl, nach Hause gekommen zu sein, wobei ihr die große fremde undhektische Stadt und die flotte aufrechte Gestalt, von der sie kaum die Augen abwenden kann, vor froher Erwartung Herzklopfen verursachen.
    Er erhält ihre Adresse in der Jakobs-Aallsstraße, wo sie ein möbliertes Zimmer durch einen Bekannten aus der Gemeinde gefunden hat. Beiden ist klar, daß sich Herrenbesuch gleich am ersten Abend nicht gut ausnehmen würde, deshalb verabreden sie, sich auf der Straße zu treffen. Als er auftaucht, auf die Minute genau – er hatte eine Viertelstunde lang ungeduldig hinter der nächsten Ecke gewartet –, ist er in Zivil, denn an diesem Abend hat er frei. Sie gehen im Schloßpark spazieren. Im Schatten der großen Bäume finden sie eine Bank, wo sie sitzen und ungestört reden können, während sie sich verstohlen lächelnd und ein wenig schüchtern anschauen.
    Später am Abend gehen sie in ein Lokal. Lars zeigt sich großzügig und spendiert Ragnhild ein Essen. Schweinekotelett mit Jägerkohl und Sahnereis, für eine Krone pro Person. Anschließend schlägt er noch einmal ordentlich zu, für fünfunddreißig Úre Kaffee und Sahnetorte, weil er nun mal die Spendierhosen anhat. Während sie am heißen Kaffee nippen und verstohlen in der herbstdunklen Fensterscheibe das Profil des anderen bewundern, erhält er Ragnhilds Beschreibung ihrer ersten Begegnung mit der »Wolldecke«.

14
    Ragnhild ist immer eine gute Erzählerin gewesen, und die Geschichten von der Zeit in Oslo, von dem Winter, als sie möbliert bei der »Wolldecke« wohnte, habe ich so oft gehört, daß es mir so vorkommt, als hätte ich sowohl das Zimmer als auch die schrullige Wirtin gesehen.
    Das möblierte Zimmer lag in so einem vornehmen alten Mietshaus, von denen es in der Gegend viele gibt. Der Eingang vom Hof aus führte über eine schmale geschwungene Treppe nach oben, und dann ging es in ein dunkelbraunes und klitzekleines Entree mit Spiegel und Hutablage. Von hier aus gelangte man in Ragnhilds Zimmer. Das war groß, ursprünglich sicher als Stube verwandt oder vielleicht als Bibliothek, und es ist anzunehmen, daß es ein heller und schöner Raum hätte sein können, wenn nicht jemand auf die merkwürdige Idee gekommen wäre, Wände und Fußboden mit flaschengrünem Filz zu tapezieren. Ob das der Wirtin selbst eingefallen war, wissen weder Ragnhild noch ich, aber ich habe von ihr nie anders als von der »Wolldecke« reden gehört, und ich glaube, selbst Ragnhild hat vergessen, wie sie eigentlich hieß.
    Es heißt, Grün sei eine Farbe, die beruhigt, aber drei Meter hohe Wände bedeckt mit grünem Wollfilz– das war dann doch etwas zu viel. Anscheinend war der angeklebt worden, damit der Raum wärmer wirken sollte, denn es gab keine Wärmequelle. Die Küche nebenan hatte zwar einen großen alten Herd, aber schon zum Essenkochen war immer zu wenig Holz da, weshalb gar nicht daran zu denken war, Holz zu benutzen, nur um sich aufzuwärmen.
    Dem Rest der Wohnung war, soweit Ragnhild sehen konnte, der grüne Filz erspart geblieben, aber alle Möbel, ja sogar die Bilder an den Wänden und die Kronleuchter unter den Gipsrosetten waren sorgfältig in eine Unzahl weißer Laken gehüllt. Zwischen diesen mit Laken bekleideten Möbeln huschte die »Wolldecke« raschelnd umher, in Seide gekleidet, in aller Regel schwarz, in Kleidern, die aussahen, als stammten sie aus dem vorherigen Jahrhundert. Wie ein uralter Geist wachte sie gewissenhaft über ihre gespensterhaften Gemächer und achtete mit höflichen kleinen Anfragen und Bemerkungen darauf,

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