Lerchenherzen
zur Besorgnis, läßt sich mitreißen und schreitet das Grundstück mit langen Schritten ab. Mit großen und eifrigen Armbewegungen baut er das Traumhaus vor ihren Augen auf. Er wirft mit dem Walfängerjargon um sich und läßt sich eher widerwillig zu dem Versprechen überreden, nur noch die eine oder andere Saison mitzufahren. Denn einen Walfängerehemann will Solfrid nicht haben!
Oh, sie erleben wunderbare Nächte. Alles scheint gut und richtig zu sein. Sie sind beieinander, ineinander zu Hause und haben keinen anderen Gedanken oder Wunsch, als ganz nahe beieinander zu sein für den Rest ihres Lebens.
Frühmorgens schlendern sie engumschlungen über die taunasse Wiese nach Hause. Allmählich bemühen sie sich auch nicht mehr, die Verliebtheit zu verbergen. Sie spüren, daß die Leute ringsum meinen, sie seien noch zu jung für ein so festes Verhältnis, aber darauf blicken sie mit fast schon herablassender Nachsicht. Außerdem sind sie sichselbst so sicher, daß dieses hier ein Leben lang halten wird, da können die Leute denken, was sie wollen.
Und Mathilde sitzt in ihrer Kammer, mit brennenden Augen sieht sie die beiden jungen Menschen über die Au nach Hause gehen. Niemand wird je erfahren, was sie davon hält, nicht einmal die Katzen, denn sie murmelt nicht wie sonst. Sitzt nur still in ihrem Schaukelstuhl hinter der Begonie auf der Fensterbank und schaut, während sie die Katze auf ihrem Schoß streichelt.
Eines Nachts gleitet sie ohne Laut auf den Fußboden, so daß die Katze verwirrt an ihrem leblosen Gesicht schnuppert und dann gekränkt aufs Bett springt, wo sie sich zusammenrollt und schläft. Als Ragnhild sie am nächsten Morgen findet, ist Mathilde bei Bewußtsein, aber die eine Seite ist gelähmt, und sie kann nicht sprechen. Mathilde bleibt im Bett, und Solfrid kommt ins Haus, um bei ihrer Pflege zu helfen.
51
Die Tür zu Mathildes Zimmer ist eine von den altmodischen, mit zwei großen quadratischen Kassetten, und sie hat keine gewöhnliche Türklinkewie die anderen Türen im Haus, sondern einen schmiedeeisernen Knauf.
Die großen, derben Türangeln sind immer gut geschmiert, damit sich die Tür auch spätnachts lautlos öffnen läßt. Wozu eigentlich? Es gibt keinen nächtlichen Besucher der Kammer – gab es niemals –, und Mathilde hat ihre nächtlichen Wanderungen längst aufgegeben.
Im Winkel an der Wand steht ihr Bett, so wie es all die Jahre gestanden hat, um einen dunklen Fleck auf den Dielen zu verstecken. Es ist immer schön gemacht, das selbstgewebte, blau-weiß gestreifte Laken ist glattgestrichen und die Bettdecke mit dem Häkeleinsatz ordentlich darübergebreitet. Sowohl auf den Bezug des Kopfkissens als auch auf der Bettdecke sind die Buchstaben L und Å für Larsen Ås zierlich ineinander verschlungen, in Plattstich direkt unter dem schönen Häkeleinsatz aufgestickt. Das gehörte zu den wenigen handfesten Dingen, die Maren Pütt von dem knappen Jahr, das sie als Hausfrau hier auf Ås gelebt hat, hinterließ, neunzehn Jahre alt, mit der zappelnden Mathilde in ihrem Bauch. Laken und Bettbezug und einen dunklen Flecken auf den Dielenbrettern, und natürlich Mathilde. Die hübsche kleine Maren, an die sich wahrscheinlich niemand mehr erinnert.
Die Kammer ist nicht groß, und im Winter ist sie eiskalt, denn im Gegensatz zu den übrigenRäumen des Hauses hat sie nur Holzwände, ohne Isolierung oder Holzverkleidung innen. Kein Wunder, daß Mathilde immer gern eine oder mehrere Katzen im Bett hatte. Eine träge, ausgewachsene Katze am Fußende verbreitet eine angenehme Wärme, wenn die Winterkälte in Wänden und Fußbodendielen knackt.
Am Fußende des Bettes steht Mathildes prachtvolle Truhe, die sie von der Großmutter Johanne Kristine geerbt hat, einer strengen und zugeknöpften Gestalt, an die sich Mathilde nur vage erinnert. Sie starb am Schlaganfall, als ihre Enkeltochter klein war. Kein Verlust im übrigen, denn genau wie ihr Sohn Anders verschenkte sie ebensowenig Liebe wie irdische Güter. Früher redeten die Leute darüber, wie geizig Kristine Ås gewesen war. Seither sind viele, viele Jahre vergangen. Die alte trockene Kristine ist jetzt weg, und sie konnte nichts mitnehmen, auch sie nicht. Ihre alte Suppenterrine mit dem Goldrand steht auf der Konsole und wird in regelmäßigen Abständen heruntergeholt und mit duftendem Hühnerfrikassee gefüllt, erheblich großzügiger allerdings als zu ihrer Zeit.
Die Truhe hat ein schmiedeeisernes Schlüsselloch, nur wo hast du
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