Lerchenherzen
und Bettenausklopfen mit den ersten Liedern der Stare gemischt. Die sind vielleicht in der Nähe gewesen, um sich für ihren Nestbau Daunen aus den schweren alten Betten zu sichern!
Während der letzten Tage vor der Ankunft sind die Frauen von Hof zu Hof gegangen, um sich beim Legen der Dauerwelle zu helfen und die letzten Neuigkeiten auszutauschen, die sie über »Radio Tjøme« erfahren haben. Mit frisch geschnittenen Haaren und sauber geschrubbt, haben die Kinder schulfrei bekommen, um einen Vater abzuholen, der sich für sie im Laufe der langen Wintermonate zu einer Mischung aus König und Weihnachtsmann verwandelt hat.
Solfrid ist in diesem Winter in der Stadt auf die Realschule gegangen. Als sie am Anleger auf die Walfänger wartet, hat sie mit dem leichten Flattern im Magen, das sich beim Anblick von Nils-Jans aufgeschossener ungelenker Gestalt einstellte,nichts anderes als reine Wiedersehensfreude verbunden. Sie denkt auch nicht darüber nach, warum sie sich nicht um den Hals fallen, wie sie es vor einem Jahr getan hätten, sondern sich nur kurz, fast schüchtern in den Arm nehmen.
Etwas hat sich zwischen ihnen verändert. Über ihren Treffen an den Frühsommerabenden liegt eine andere Stimmung als früher, aber beide schieben sie die Gedanken und Gefühle beiseite. Die sind zu groß, und damit umzugehen ist zu schwierig. Irgendwie ist es auch so feierlich. Daß dies hier nichts mit den Kinderschwärmereien zu tun hat, die sie erlebt haben, spüren sie beide, ohne sich dessen ganz bewußt zu sein.
An einem Abend im Juni stehen sie nebeneinander am Rand der Tanzfläche und hören dem Dorforchester zu, das zum Tanz aufspielt. Sie haben sich zusammen mit Hallvard und Anne-Grete von deren großem Bruder Kåre, der sich einen Opel Rekord gekauft hat, in den Nachbarort mitnehmen lassen.
Nils-Jan dreht sich zu Sol um, aber die Frage: »Wollen wir tanzen?« bleibt ihm im Hals stecken, und er schafft gerade noch, wortlos die Arme nach ihr auszustrecken. Sie schaut ihm in die Augen und merkt, wie die Tanzfläche unter ihren Füßen schwankt und ihr Körper mit einem Schwindel und einem Sog auf seine Nähe reagiert, die ihr völlig neu sind. Gleichzeitig ist es ein schönes undvertrautes Gefühl, wie etwas, auf das sie lange gewartet hat.
Zurückschauend erinnern die beiden von diesem Abend nur sich. Sie tanzen zusammen, wie sie es seit den ersten unsicheren Walzerschritten, die ihnen Ragnhild zu Hause in der Küche beigebracht hat, unzählige Male getan haben. Jetzt tanzen sie eng zusammen zu ›It's now or never‹ und ›I can't help falling in love with you‹, von einem enthusiastischen Orchester mit einem besonderen Dreh gespielt. Sie hat ihre Stirn an seinen Hals gelegt. Sie spüren nichts als diese zitternde Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hat.
Als sie seine Reaktion an ihrem Bauch spürt, kommen ihr beinahe die Tränen, und das Wissen darum, daß er es nicht vor ihr verbergen kann, läßt ihn so komisch verwirrt und schuldbewußt aussehen, daß sie sich hochreckt und ihn schnell auf den Mund küßt, mitten auf der Tanzfläche. Das ist ihr allererster Kuß.
Später gehen sie hinaus und suchen sich einen Platz, wo sie sich ungestörter küssen können, erst vorsichtig und prüfend, nach und nach hektischer, während ihre Hände so verzweifelt am Körper des anderen suchen, als ob es das Leben gelte, und um jedes kleinste Detail kennenzulernen.
Als sein Mund den Weg unter ihren Pulli findet, spürt sie, wie ihre Brustwarzen in stürmischer Erwartungaufknospen, und als sie ein bißchen unsicher anfängt, das zu erforschen, was sich ihr da so neu und unbekannt entgegenreckt, kommt er hilflos zwischen ihren Händen. Sie ist von einer so grenzenlosen Zärtlichkeit erfüllt, daß sie nicht weiß, wie sie sich fassen kann.
Auf dem Weg, nach Hause, auf dem Rücksitz in Kåres Auto, halten sie sich nicht einmal an den Händen. Dieses Neue ist etwas, das sie nicht mit anderen teilen können, nicht einmal mit Hallvard und Anne-Grete. Die Berührung auf dem engen Rücksitz, wo er den Arm wie zufällig über die Sitzlehne legt und sie ihren Kopf ebenso zufällig an seinen Oberarm lehnt, versetzt sie in einen Zustand ungeduldiger Erregtheit, so daß sie ziemlich unsinniges Zeug auf die Bemerkungen der Geschwister darüber, wer wieder voll war und wer wohl mit wem zusammen ist, von sich geben.
An der heimatlichen Wegbiegung steigen sie aus, und wie im Traum irren sie durch die Sommernacht, engumschlungen
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