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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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bedeutete klingende Münze, auch wenn die Reihen auf Ås enorm lang waren. Wenn man Glück hatte, so war das meiste Unkraut Gänsefuß, nicht widerspenstige Quecken.
    Wie erledigt man doch sein konnte, ob vom Jäten oder vom Kartoffelausmachen! Und wie man sich nach dem Ton der Essensglocke sehnte, wenn die Sonne am Himmel so weit gestiegen war, daß man meinte, nun müßte es Mittag sein. Hatte man Glück, bekam man zwischendurch eine extra Verschnaufpause, weil mit dem Kartoffelroder etwas nicht in Ordnung war, aber in der Regel dauerte das nicht lange. Das Pferd hatte kaum Zeit, ein- oder zweimal die Stellung zu wechseln, wobei es wiehernd den braunen Kopf schüttelte, daß die Ponyfransen und die Mähne flogen, da hatte Lars den Fehler schon behoben. Meistens hatten sichErde oder Kartoffelkraut festgesetzt, oder eine Begegnung mit einem harten Stein hatte die Mechanik aus dem Gleichgewicht gebracht. In jedem Fall war es schnell wieder in Ordnung.
    Zu schnell, fanden jedenfalls die jungen Leute, die auf den Eimern saßen und sich gegenseitig aufzogen. Ja, ganz heimlich seufzten sie wohl ein bißchen, auch die Erwachsenen, wenn Lars, die beiden Zügel in einer Hand, den Handgriff des Kartoffelausroders fest packte und mit der Zunge schnalzte, so daß das Pferd sich in Bewegung setzte. Und Bless legte sich ins Zeug und ließ die Kartoffeln besonders weit fliegen, gleichsam als Dank für die kleine Ruhepause.
    Solfrid hilft in diesem Jahr nicht bei der Kartoffelernte, das erste Mal, soweit sie sich erinnert. Sie macht Mathilde fertig und merkt, daß sie eigentlich gern mit kranken Menschen arbeitet. Und irgendwie leise verwundert entdeckt sie, daß der Tod sie nicht erschreckt, auch wenn er sie tief beeindruckt. Denn er kommt so still und unmerklich. Eben noch liegt Mathilde dort in einem unruhigen Halbschlaf und im nächsten Moment ist sie für immer fort. Eine unendliche Ruhe legt sich über ihr altes Gesicht, alle Spuren von Gefühl sind aus den Gesichtszügen verschwunden. Sie geben auch keinen Hinweis auf eine andere Wirklichkeit, weder im Guten noch im Bösen. Nichts steht mehr in ihnen zu lesen, keine Trauer, keine Freude,keine Bitterkeit, nur eine endlose, unfaßbare Ruhe, die Sol tief beeindruckt.
    Sie hilft Ragnhild, die Tote zurechtzumachen, sie flechten ihr die Haare, die noch immer dicht und lang sind, in zwei ordentliche Zöpfe, und waschen sie von Kopf bis Fuß. Dann begleiten die nächsten Familienangehörigen sie zur Kapelle, und der Tag der Beisetzung wird auf den Montag nach den Kartoffelferien festgesetzt. Die ganze Gemeinde ist bei der Beerdigung dabei. In der Woche drauf reisen Lars und Nils-Jan zum Walfang.

53
    Solfrid findet es in diesem Herbst so schwer, Nils-Jan ziehen zu lassen. Mathildes Tod hat sie vielleicht doch tiefer aufgewühlt, als ihr klar ist. Es ist ein so merkwürdiges Gefühl, daß ein Mensch, der immer dagewesen ist, plötzlich einfach weg sein soll.
    Nun ist von Mathilde nur ein Grab auf dem stillen Friedhof geblieben, auf dessen schwarzem Erdhügel die verwelkenden Kränze noch nicht weggeräumt sind. Sol und Nils-Jan gehen an seinem letzten Tag daheim dorthin und stellen einenBlumenstrauß aus Rainfarn und Kamille in einem Glas Wasser ans Grab. Das sind die einzigen Blumen, die sie so spät im Jahr noch finden konnten.
    »Fahr nicht!« sagt Solfrid und fängt plötzlich an zu weinen, etwas, das sie nur selten tut. Eigentlich ist er der empfindsamere von beiden, aber heute lächelt er nachsichtig und findet, sie sei töricht.
    »Ich komme doch wieder!« lacht er und hebt sie hoch und preßt dabei sein Gesicht in ihr Haar. Er redet vom Haus und den Zukunftsplänen und bringt sie ein wenig zum Lachen.
    »Ich bin zur Zeit so durcheinander«, schluchzt sie. »Ich weiß nicht, was mit mir ist, ich bin nicht mehr ich selbst.«
    »Wag es nur, eine andere zu sein!« ruft er und hat diesen verschmitzten, spottlustigen Ausdruck in den Augen, den sie so gern an ihm mag. »Ein Winter geht so schnell vorbei«, fügt er tröstend hinzu.
    Sie stehen einen Augenblick eng beieinander an Mathildes Grab, und wieder einmal sagt der eine, was alle beide denken. Dieses Mal ist es Nils-Jan. Er fährt sich rasch mit der Hand über die Augen und sagt, den Blick fest auf die verwelkten Blumenkränze gerichtet: »Ich habe Mathilde sicher viel lieber gehabt, als ich selber wußte.«
    Dann gehen sie Hand in Hand durch den frühen Herbstabend nach Hause.

54
    Jetzt wohne ich in Mathildes Kammer. Oder

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