Lerchenherzen
nur noch die blauen Glockenblumen. Auch die kommen bald, und dann ist im Grunde der schönste Teil des Sommers für dieses Mal schon wieder vorüber.
Auf Mathildes Erdbeerbeet, unten an dem sonnigen Hang beim Spielhaus, waren die ersten Erdbeeren reif. Wie unermüdlich sich Mathilde um ihr Erdbeerbeet kümmerte! Wie sie diese wenigen Quadratmeter jätete und wässerte und pflegte, so wie sie es mit allen Blumen und Beerensträuchern tat. Mathildes Blumenbeete waren sprichwörtlich, und von ihren schwarzen und roten Johannis- und Stachelbeeren hatte sie in all den Jahren so reichlich, daß sie sie im ganzen Ort verteilte.
Ich fürchte, daß in diesem Frühjahr und Sommer sowohl der Garten als auch die Beerensträucher vernachlässigt worden sind, und die Erdbeerpflanzen mußten zwischen Quecken und Gänsefuß zurechtkommen, so gut sie konnten. Sie haben überall Stecklinge gebildet und sind insgesamt ziemlich dürftig, aber tragen tun sie schon, wenn auch wohl weniger als im letzten Jahr.
Während du im Schatten im Wagen lagst, den du von Ingers Mädchen geerbt hast, und mit deinen nackten Beinchen unter dem Insektennetz strampeltest, habe ich versucht, ein bißchen zu jäten. Im übrigen schläfst du zur Zeit meistens, du bist so ein lieber kleiner Junge, den man nur liebevoll versorgen muß, dann trinkt er und schläft und ist vollkommen zufrieden.
Heute nacht also hast du Ørger gemacht, weil deine Mutter so dumm gewesen ist und zu viele Erdbeeren in sich hineingestopft hat, während siejätete. Mutter hatte mich gewarnt, daß ich, solange ich stille, vorsichtig sein solle mit Erdbeeren und Kohl und ähnlichen Dingen, aber ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht. Die Sonne wärmte mir so schön den Rücken, und ich genoß das Gefühl, wieder Erde zwischen den Fingern zu spüren.
Ich glaube, ich werde mich mehr an der täglichen Arbeit auf dem Hof beteiligen. Etwas zu tun zu haben hilft mir, merke ich. Die Heuernte ist demnächst in vollem Gang, und da wird zweifellos jede Hand gebraucht. Du kannst ja in deinem Wagen im Schatten liegen und schlafen, während ich beim Heuen helfe. Mir ist das Heuen die liebste von allen Arbeiten. Es gibt nichts Schöneres als den Duft von frisch gemähtem Gras.
Als Nils-Jan und ich klein waren, war es unsere Aufgabe, für die Schnitter die Getränke zu holen. Das war, ehe wir groß genug waren, um die Heufuder festzutrampeln. Selbst wenn wir hier auf Ås schon früh einen Traktor bekamen, wurde der größte Teil der Heuernte mit Pferd und Wagen eingebracht. Einige der Wiesen sind so steil, daß Lars fand, die Arbeit sei mit Traktor und Mähmaschine zu mühselig.
In der Regel durfte eines der großen Kinder von Rønnigen das Heu festtrampeln. Egal wieviel dein Vater und ich quengelten, Lars wollte uns nicht oben auf den Heuwagen lassen. Er hatte Angst,daß wir uns nicht gut genug vor den Heugabeln, die zum Beladen benutzt wurden, vorsehen könnten. Oh, wie wir Kåre oder Inger oder Kjell-Arne beneideten, wenn sie geschäftig im Heuwagen herumsprangen und trampelten und die großen duftenden Heufuder zurechtlegten, die eines nach dem anderen von den Heugabeln der Erwachsenen zu ihnen hochschwebten. Schon so groß und so geschickt! Und wie ungeduldig wir waren, endlich groß zu werden. Ich fürchte, in den Jahren, als wir groß genug waren, da sind wir nicht mehr so eifrig gewesen!
Damals konnten wir uns gar nichts Tolleres vorstellen. Wir quengelten und waren im Weg und wurden ausgeschimpft, aber wir durften jedesmal das letzte halbe Fuder, das am Ende übrigblieb und nicht weiter als bis zum oberen Rand der Gitterstäbe reichte, festtrampeln.
Und hin und wieder durften wir auf dem Heimweg oben auf dem Heu sitzen, nicht zu oft, weil die Arbeit für die Pferde, auch ohne noch Kinder mitzuschleppen, wahrhaftig anstrengend genug war. Manchmal durften wir doch oben auf dem duftenden Heu liegen und uns an der Stange festhalten. Ich frage mich, ob du, mein Kleiner, das erleben wirst, oder ob die Mähmaschine die Arbeit ganz übernommen haben wird, bis du groß bist.
Auf dem Hof mußten wir Mathilde zum Brunnenganz unten im Garten folgen. Mit gebührendem Abstand sahen wir zu, wie sie den schweren Brunnendeckel mit den quietschenden Scharnieren anhob und den Fünflitereimer mit dem Johannisbeersaft hochzog. Der hing zum Abkühlen unten in dem kalten, dunklen Brunnen mit dem pyramidenfömigen Brunnenhaus darüber, zusammen mit einem oder mehreren Milcheimern, denn das war noch,
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