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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Klosters. Ich soll Ihnen helfen. Das ist eine Arbeit, wie geschaffen für die Nacht. Zuerst ein Gläschen!«
    Während er diesen letzten Versuch wagte, überlegte er:
    Wenn er auch trinkt, wird er betrunken werden?
    »Provinzler«, sagte der Totengräber, »wenn Sie absolut darauf bestehen, gut. Trinken wir eins. Aber nach der Arbeit. Niemals vorher.«
    Schon wieder hatte er den Spaten bereit. Fauchelevent fiel ihm in den Arm.
    »Argenteuil zu sechs!«
    »Großer Gott, Sie sind ja ein Glöckner! Bimbam bimbam, immer dasselbe!«
    Und die zweite Schaufel folgte.
    Fauchelevent geriet in einen Zustand, in dem man nicht mehr weiß, was man spricht.
    »Kommen Sie doch, ich zahle ja«, schrie er.
    »Wenn wir das Kindchen da zu Bett gebracht haben«, sagte der Totengräber.
    Die dritte Schaufel.
    Jetzt stieß er den Spaten in die Erde und fügte hinzu:
    »Heute wird es kalt. Die Tote wird schimpfen, wenn wir sie ohne Decke lassen.«
    Während er wieder seine Schaufel belud und sich bückte, klaffte eine seiner Taschen auf. Fauchelevents irrer Blick fiel in die Tasche und wurde starr. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen. Es war noch hell genug, daß er etwas Weißes in der Tasche bemerkte.
    Alle List, deren ein pikardischer Bauer fähig ist, blitzte in Fauchelevents Auge auf. Er hatte eine Idee.
    Ohne daß der Totengräber etwas bemerkte, griff er ihm in die Tasche und zog das Weiße heraus.
    Vierte Schaufel.
    Als er sich umwandte, um die fünfte aufzunehmen, sah ihn Fauchelevent ruhig an und sagte:
    »Übrigens, Herr Neuling, haben Sie Ihre Karte?«
    »Welche Karte?«
    »Frau Sonne geht zu Bett.«
    »Von mir aus soll sie sich ihre Nachtmütze aufsetzen.«
    »Der Pförtner wird gleich schließen.«
    »Na und?«
    »Haben Sie Ihre Karte?«
    »Ach, meine Karte«, sagte der Totengräber und griff in die Tasche.
    Er suchte dann noch in der anderen. Auch in der Westentasche, in den Hosentaschen.
    »Nein, ich habe sie nicht. Ich habe sie vergessen.«
    »Fünfzehn Franken Strafe«, erklärte Fauchelevent.
    Der Totengräber wurde grün. Grün ist die Blässe derer, die immer weiß sind.
    »Kreuzhimmeldonnerwetter! Fünfzehn Franken!«
    »Dreimal hundert Sous«, bestätigte Fauchelevent.
    Die Schaufel fiel zu Boden.
    Jetzt mußte Fauchelevent seine Trümpfe ausspielen.
    »Na, Rekrut, nicht verzweifeln! Hier ist nicht von Selbstmord die Rede. Es findet sich immer ein Ausweg. Fünfzehn Franken sind immerhin fünfzehn, aber Sie müssen sie ja nicht bezahlen. Ich bin alt, Sie sind jung. Ich weiß alle Schliche und Tricks. Ich will Ihnen einen freundschaftlichen Rat geben. Eins ist klar. Die Sonne geht unter, sie steht schon über dem Dom. In fünf Minuten wird geschlossen.«
    »Allerdings.«
    »In fünf Minuten werden Sie mit der Grube da nicht fertig, die ist teuflisch tief, und dann ist es ja auch noch ein Stück Weg bis zum Gitter. Wenn Sie hinkommen, ist alles zu.«
    »Weiß Gott.«
    »Also – fünfzehn Franken Strafe.«
    »Fünfzehn Franken!«
    »Aber Sie haben ja noch Zeit. Wo wohnen Sie?«
    »Zwei Schritt hinter dem Tor. Eine Viertelstunde von hier. Rue de Vaugirard Nr. 87.«
    »Na, wenn Sie Ihre Beine in die Hand nehmen, kommen Sie noch raus. Und wenn Sie erst draußen sind, husch, husch, dann laufen Sie nach Hause, holen Ihre Karte, kommen wieder her, und der Pförtner öffnet Ihnen. Wenn Sie die Karte haben, brauchen Sie nichts zu bezahlen. Dann begraben Sie Ihren Toten. Ich warte einstweilen hier, daß er nicht ausrückt.«
    »Ich schulde Ihnen das Leben, Bauer!«
    »Aber jetzt los!«
    Der Totengräber drückte ihm noch die Hand, dann lief er davon. Als er verschwunden war, beugte sich Fauchelevent über die Grube und rief leise:
    »Vater Madeleine!«
    Nichts.
    Fauchelevent schauderte. Er fiel mehr in die Grube, als er hinabstieg, und begann zu schreien:
    »Sind Sie da?«
    Totenstille.
    Fauchelevent, der kaum mehr Luft bekam, ergriff Hammer und Stemmeisen und sprengte den Deckel ab. Im Sarge lag Jean Valjean, blaß mit geschlossenen Augen.
    Fauchelevents Haare sträubten sich, er taumelte zurück. Noch immer regte sich Jean Valjean nicht.
    »Er ist tot«, murmelte Fauchelevent.
    Dann kreuzte er die Arme, daß seine Fäuste bis zu seinen Schultern kamen, und stöhnte:
    »So rette ich die Leute!«
    Dann begann er zu schluchzen.
    Es ist Vater Mestiennes Schuld, seufzte er. Warum ist er gestorben, der Trottel? Muß krepieren, gerade wenn niemand daran denkt. Er hat Herrn Madeleine umgebracht! Vater Madeleine. Es ist aus.

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