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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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weiß, daß die Rollkutscher viel von gutem Essen halten. Am Bratspieß stak ein fettes Kaninchen, von Rebhühnern flankiert, und in den Kesseln brieten zwei mächtige Karpfen aus dem See von Lauzet und eine Forelle aus dem See von Alloz.
    Als der Wirt die Tür sich öffnen und einen neuen Gast eintreten hörte, fragte er, ohne von seinen Kesseln aufzublicken:
    »Was wünscht der Herr?«
    »Ich möchte hier essen und schlafen.«
    »Nichts leichter als das«, er wandte den Kopf, maß den Fremdling mit einem flüchtigen Blick und ergänzte: »vorausgesetzt, daß Sie bezahlen.«
    Der Mann zog eine pralle Lederbörse aus der Tasche seiner Joppe und antwortete:
    »Ich habe Geld.«
    »In diesem Falle – ganz zu Ihren Diensten.«
    Der Mann steckte die Börse wieder in die Tasche, entledigte sich seines Tornisters, stellte ihn neben der Tür zu Boden, behielt seinen Stock in der Hand und setzte sich am Kamin auf einen Schemel. Oktoberabende sind in Digne kalt, denn es liegt im Gebirge.
    Im Hin- und Hergehen beobachtete der Wirt den Reisenden.
    »Wird bald gegessen?« fragte der Mann.
    »Gleich.«
    Während der Neuankömmling sich an dem Kamin wärmte, an den er sich mit dem Rücken gelehnt hatte, zog der wackere Herbergsvater Jacquin Labarre einen Bleistift aus der Tasche und riß von einem alten Zeitungsblatt, das auf der Fensterbank lag, eine Ecke ab. Auf diesen Fetzen Papier schrieb er ein paar Zeilen, faltete sie, ohne zu siegeln, und steckte sie einem Knaben zu, der als Küchenjunge und Hausbursche diente. Der Wirt flüsterte ihm ein Wort zu, und der Junge lief eilig in Richtung Stadthaus fort.
    Der Gast hatte nichts davon bemerkt.
    »Wird bald gegessen?« fragte er von neuem.
    »Gleich«, sagte der Wirt.
    Der Knabe kehrte zurück. Er brachte ein Stück Papier, das der Wirt hastig entfaltete wie jemand, der eine Antwort erwartet. Er schien aufmerksam zu lesen, schüttelte dann den Kopf und blieb einen Augenblick lang nachdenklich. Endlich trat er zu dem Reisenden, der vor sich hinzubrüten schien.
    »Herr, ich kann Sie nicht aufnehmen.«
    Der Mann richtete sich auf seinem Schemel auf.
    »Fürchten Sie, daß ich nicht bezahle? Wollen Sie, daß ich Geld erlege? Ich habe doch Geld, wie ich Ihnen bereits sagte.«
    »Es ist nicht darum.«
    »Warum dann?«
    »Sie haben Geld …«
    »Allerdings.«
    »Aber ich habe kein Zimmer frei«, erklärte der Wirt.
    »Gut, so weisen Sie mir einen Platz im Stall an«, erwiderte der Mann ruhig.
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum?«
    »Die Pferde nehmen den ganzen Platz ein.«
    »Gut, also einen Winkel im Speicher. Eine Schütte Stroh. Wir werden nach dem Essen darüber sprechen.«
    »Ich kann Ihnen nichts zu essen vorsetzen.«
    Diese Erklärung, in ruhigem, aber festem Ton gegeben, machte den Fremden stutzig. Er erhob sich.
    »Ha, ich sterbe Hungers. Seit Sonnenaufgang bin ich unterwegs. Zwölf Meilen bin ich gelaufen. Ich zahle. Ich muß etwas zu essen haben!«
    »Ich habe nichts.«
    Der Mann lachte auf und deutete nach dem Herd.
    »Nichts? Und was ist dort?«
    »Alles bestellt.«
    »Von wem?«
    »Von den Herren Rollkutschern.«
    »Wie viele sind es?«
    »Zwölf.«
    »Aber das reicht für zwanzig Leute aus.«
    »Sie haben alles bestellt und vorausbezahlt.«
    Der Mann setzte sich und sagte gelassen:
    »Ich bin in der Herberge, ich habe Hunger und bleibe.«
    Der Wirt beugte sich zu ihm herab und sagte mit einer Betonung, die den andern erzittern ließ:
    »Gehen Sie!«
    Der Reisende hatte sich gebückt und stieß mit seinem Stock einige Kohlen ins Feuer. Jetzt wandte er sich lebhaft um, aber als er den Mund auftat, um zu antworten, sah ihn der Wirt fest an und fuhr leise fort:
    »Keine überflüssigen Worte! Wollen Sie, daß ich Ihnen Ihren Namen sage? Sie heißen Jean Valjean. Und soll ich Ihnen sagen, wer Sie sind? Als ich Sie eintreten sah, habe ich Lunte gerochen und ins Stadthaus geschickt. Hier ist die Antwort. Können Sie lesen?«
    Er reichte dem Fremden das entfaltete Papier, das den Weg vonder Herberge zum Stadthaus und zurück gemacht hatte. Der Mann warf einen Blick darauf. Nach einem kurzen Schweigen sagte der Wirt:
    »Ich bin zu jedermann höflich, das ist meine Gewohnheit. Gehen Sie.«
    Der Mann senkte den Kopf, nahm seinen Tornister vom Boden auf und ging.
    Er ging die Hauptstraße entlang. Er schritt vor sich hin, dicht an den Häusern entlang wie einer, der gedemütigt und erniedrigt worden ist. Nicht ein einziges Mal wandte er sich um. Hätte er es getan, so wäre ihm nicht

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