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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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etwas vorfiel. Darum war es für vorsichtige Leute am besten, selber für ihre Sicherheit zu sorgen, und da sei es die erste Pflicht, sein Haus anständig zu verschließen, zu verriegeln und zu versperren, kurz, seine Türen gut zu verwahren.
    Frau Magloire legte eine gewisse Betonung auf das Wort Türen, aber der Bischof hatte in seinem Zimmer gefroren, und darum richtete er sich jetzt am Kamin häuslich ein; seine Gedanken hatten eine andere Richtung genommen. Darum achtete er der Bemerkung nicht sonderlich, die Frau Magloire gemacht hatte, sie mußte sie wiederholen. Fräulein Baptistine wollte ihr einen Gefallen tun, zugleich aber ihrem Bruder nicht mißfallen, und darum äußerte sie schüchtern:
    »Bruder, hast du gehört, was Frau Magloire sagt?«
    »Mir ist so, als ob ich etwas gehört hätte«, antwortete der Bischof. Er wandte sich in seinem Stuhl halb um, legte die Hände auf seine Knie und richtete seinen heiteren, vergnügten Blick auf die alte Haushälterin: »Nun, was gibt’s? Schweben wir in großer Gefahr?«
    Jetzt begann Frau Magloire von neuem, wobei sie, wohl ohne es selbst recht zu bemerken, ein wenig stärker auftrug. Kurz und gut,ein barfüßiger Bandit, ein gefährlicher Räuber oder so etwas Ähnliches trieb sich dem Vernehmen nach in der Stadt herum. Zuerst habe er bei Jacquin Labarre um Quartier nachgesucht, aber dort hatte man ihn nicht aufnehmen wollen. Später war er auf dem Boulevard Gassendi gesehen worden und habe sich auch in anderen Straßen gezeigt. Ein Kerl, reif für den Galgen, mit einem Gesicht – so recht zum Angstkriegen.
    »Wahrhaftig?« meinte der Bischof. Diese Bereitwilligkeit, sie anzuhören, ermutigte Frau Magloire. Vielleicht war der Bischof doch auch beunruhigt. Triumphierend fuhr sie fort:
    »Ja, so ist es. Heute nacht gibt es gewiß ein Unglück in der Stadt. Alle Welt sagt das. Und dabei ist die Polizei so nachlässig« (eine nützliche Wiederholung!). »Man lebt in gebirgigem Land, und nicht einmal Laternen brennen des Nachts in den Straßen! Da soll man sich hinaustrauen. Stockfinster ist es draußen. Darum sage ich, Monsignore, und das Fräulein meint wie ich …«
    »Ich meine gar nichts«, unterbrach die Schwester, »was mein Bruder entscheidet, wird gut sein.«
    Frau Magloire fuhr fort, ohne diesen Einspruch zu beachten.
    »Wir sagen also, daß dieses Haus gar nicht sicher ist, und wenn Monsignore erlauben, so gehe ich sofort zu Paulin Musebois, dem Schlosser, damit er die alten Riegel wieder an der Türe anbringt. Sie sind noch zur Hand, das Ganze ist in einer Minute gemacht. Wir müssen die Riegel haben, Monsignore, und wäre es nur für heute nacht, denn eine Tür, die jeder von außen mit der Klinke aufdrücken kann, der erste beste, der vorbeikommt, ist das Schrecklichste von der Welt, noch dazu, wenn man bedenkt, daß Monsignore die Gewohnheit haben, immer gleich ›herein‹ zu rufen. Und um Mitternacht, großer Gott, braucht keiner erst um Erlaubnis zu fragen …«
    In diesem Augenblick wurde kräftig an die Türe geklopft.
    »Herein!« rief der Bischof.
Heroischer Gehorsam
    Die Tür ging auf.
    Heftig wurde sie aufgerissen – ein Mann trat ein.
    Wir kennen diesen Mann. Es ist derselbe, den wir eine Stunde vorher auf der Suche nach einem Obdach gesehen haben.
    Er tat einen Schritt vorwärts und blieb dann stehen, ohne die Tür hinter sich wieder zu verschließen. Den Tornister hatte er auf dem Rücken, den Stock in der Hand; in seinem Blick war etwas Rauhes, Kühnes, Erschreckliches. Licht vom Kaminfeuer fiel ihm grell ins Gesicht. Er sah unheimlich aus.
    Frau Magloire brachte nicht einmal die Kraft auf, einen Schrei auszustoßen. Sie zitterte und blieb mit offenem Munde stehen. Fräulein Baptistine wandte sich um, warf einen Blick auf den Fremden, zuckte erschrocken zusammen, sah aber sofort nach ihrem Bruder, dessen Gesicht tiefe Ruhe und Heiterkeit ausstrahlte.
    Gelassen betrachtete der Bischof den Fremden. Als er den Mund auftat, um den Ankömmling zu fragen, was er wünsche, stützte dieser beide Hände auf seinen Stock, ließ den Blick hastig über den Greis und die beiden Frauen hingleiten und sagte dann laut, ohne eine Anrede abzuwarten:
    »So ist es, ich heiße Jean Valjean. Ich bin ein Galeerensträfling. Neunzehn Jahre war ich im Bagno. Vor vier Tagen hat man mich in Freiheit gesetzt, und jetzt gehe ich nach Pontarlier, das ist mein Bestimmungsort. Schon vier Tage bin ich unterwegs, von Toulon aus. Heute bin ich zwölf Meilen zu Fuß

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