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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Ihr Geld nicht. Haben Sie die Münze wenigstens aufgehoben? Sie sind nicht reich. Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, Sie sollten sie aufheben. Es war sehr schönes Wetter damals, und man fror nicht. Erinnern Sie sich? Oh, ich bin glücklich, denn jetzt sterben wir alle.«
    Schmerzlich bewegt betrachtete Marius das unglückliche Geschöpf.
    »Ach«, stöhnte sie jetzt, »es fängt wieder an. Ich ersticke!«
    Sie biß in ihre Bluse, und ihre Beine streckten sich aus.
    Sie hielt ihr Gesicht nahe an Marius’ Kopf.
    »Hören Sie«, sagte sie, »ich will Sie nicht betrügen. Ich habe einen Brief für Sie in der Tasche, seit gestern schon. Jemand hat mich gebeten, ihn zur Post zu bringen. Ich habe ihn aber behalten. Ich wollte nicht, daß dieser Brief sie erreicht.«
    Krampfhaft griff sie nach Marius’ Hand. Er fühlte in ihrer Tasche den Brief.
    »Nehmen Sie ihn«, sagte sie.
    Jetzt schien sie befriedigt.
    »Und versprechen Sie mir …«
    »Was?«
    »Versprechen Sie es mir!«
    »Ich verspreche es Ihnen.«
    »Sie sollen mich auf die Stirn küssen, wenn ich tot bin. Ich werde es fühlen.«
    Sie ließ den Kopf auf seine Knie zurückfallen, und ihre Augenlider schlossen sich. Nach einiger Zeit blickte sie wieder auf und sagte in einem Ton, dessen sanfter Klang aus einer anderen Welt zu kommen schien:
    »Wissen Sie, Herr Marius, ich glaube fast, ich war ein wenig verliebt in Sie.«
    Noch einmal versuchte sie zu lächeln, dann starb sie.
Gavroche als Berechner von Entfernungen
    Später erst, in der Gaststube, las Marius den Brief. Er war gerichtet »an Herrn Marius Pontmercy, bei Herrn Courfeyrac, Rue de la Verrerie Nr. 16« und lautete folgendermaßen:
    »Mein Geliebter, ach, Vater will, daß wir sofort abreisen. Heute abend werden wir nach der Rue de l’Homme Armé Nr. 7 übersiedeln. In acht Tagen sind wir in London.
    4. Juni
    Cosette.«
    Eponine hatte alles bewerkstelligt. Von irgendeinem jungen Burschen, der es amüsant fand, sich als Mädchen zu verkleiden, erhielt sie ein Gewand. Sie war es gewesen, die Jean Valjean auf dem Champ de Mars ausfindig machte und ihm diese Warnung zusteckte: »Umziehen!« In der Tat war Jean Valjean sofort nach Hause gegangen und hatte zu Cosette gesagt: »Wir ziehen heute aus und gehen mit Toussaint nach der Rue de l’Homme Armé. Wir müssen binnen einer Woche in London sein.«
    In ihrem Kummer hatte Cosette sofort zwei Zeilen an Marius geschrieben. Aber wie sollte sie den Brief zur Post bringen? Sie ging nie allein aus, und Toussaint hätte, über einen derartigen Auftrag erstaunt, das Schreiben Herrn Fauchelevent gezeigt. Noch schwankte sie, da bemerkte sie am Gitter die als Mann verkleidete Eponine, die unaufhörlich den Garten umschlich. Cosette hatte »diesen jungen Arbeiter« herbeigerufen, hatte ihm fünf Frankengegeben und gebeten, er solle den Brief bestellen. Sofort hatte Eponine den Brief in die Tasche gesteckt. Am Morgen des 5. Juni war sie zu Courfeyrac gegangen, um Marius zu suchen. Das tat sie nicht, um ihm etwa den Brief zu bringen, sondern – was jeder Eifersüchtige begreifen wird – um ihn zu sehen. Sie hatte Marius oder wenigstens Courfeyrac abgepaßt. Als er ihr sagte, daß er zu den Barrikaden eile, war ihr ein Gedanke gekommen. Sie war gewiß, daß Marius in seiner Verzweiflung dem Ruf seiner Freunde gern folgen würde, und beschloß, ihn zu der Barrikade zu locken. Ihre Rechnung erwies sich als richtig. So war auch sie nach der Rue de la Chanvrerie zurückgekehrt und mit der tragischen Freude im Herzen gestorben, daß nun auch keine andere Marius gewinnen würde.
    Er bedeckte jetzt Cosettes Brief mit Küssen. Sie liebte ihn also doch! Einen Augenblick dachte er, nun sei es sinnlos, zu sterben. Gleich darauf aber fiel ihm ein, daß sie ja verreise. Ihr Vater nahm sie nach England mit, und sein Großvater weigerte sich, in diese Ehe einzuwilligen. Das Schicksal war unabänderlich.
    Jetzt, dachte er, blieben ihm nur noch zwei Pflichten zu erfüllen. Er mußte Cosette von seinem Tode benachrichtigen und Thénardiers Sohn, den Bruder Eponines, retten.
    Er hatte sein Portefeuille bei sich. Rasch riß er ein Blatt heraus und schrieb mit dem Bleistift folgende Zeilen:
    »Wir können nicht heiraten. Ich habe meinen Großvater darum gebeten, aber er hat meine Bitte abgewiesen. Ich besitze nichts, und auch du bist arm. Sofort bin ich zu dir geeilt, habe dich aber nicht mehr gefunden. Du weißt, daß ich dir mein Ehrenwort gegeben habe, und ich halte es. Ich liebe dich und

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