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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Dahlia, die einen Blumennamen zum nom de guerre gewählt hatte; Fameuil Zéphine – der Name ist eine Abkürzung aus Joséphine; Tholomyès endlich Fantine, die Blonde geheißen wegen ihrer schönen goldblonden Haare.
    Favourite, Dahlia, Zéphine und Fantine waren vier reizende, frische, fröhliche Geschöpfe, noch immer ein wenig Arbeitermädchen, denn sie hatten die Nadel noch nicht ganz weggeworfen, wohl schon ein wenig durch ihre Liebschaften aus der Bahn geschleudert, aber noch mit einem Rest jener Heiterkeit und Ehrbarkeit im Antlitz und im Wesen, die bei den Frauen den ersten Fall überdauert. Eine unter den vieren wurde die Junge genannt, weil sie die jüngste war, eine andere die Alte; die Alte zählte dreiundzwanzig Jahre. Es soll nicht verschwiegen werden, daß die drei anderen erfahrener, leichtsinniger, ja sogar leichtfertiger waren als die blonde Fantine, die ihre ersten Illusionen noch nicht überwunden hatte.
    Das hätte man von Dahlia, Zéphine und vor allem von Favouritewohl nicht behaupten können. Sie hatten jede in ihrem jungen Lebensroman schon manche Episode hinter sich, und der Liebhaber, der im ersten Kapitel Adolphe hieß, war im zweiten ein Alphonse und im dritten ein Gustave. Armut und Eitelkeit sind zwei schlimme Ratgeber: der eine drängt, der andere lockt; und da ist kein hübsches, junges Mädchen aus dem Volke, das nicht beiden Gehör schenkte. Diese schlechtbewachten Seelen sind empfänglich. Daher rührt mancher Sündenfall, daher mancher Stein, der nach jenen Geschöpfen geworfen wird.
    Favourite war in England gewesen und wurde darum von Zéphine und Dahlia bewundert. Frühzeitig hatte sie es zu einer eigenen Wohnung gebracht. Ihr Vater war ein alter, brutaler Mathematiklehrer, der in jungen Jahren einmal gesehen hatte, wie das Kleid einer Kammerjungfer an einem Kaminvorsatz hängenblieb; darüber war er in Glut geraten, und so war Favourite entstanden. Zuweilen traf sie ihren Vater auf der Straße, und er grüßte sie sogar. Eines Morgens empfing sie den Besuch einer alten Frau, die wie eine Betschwester aussah.
    »Sie kennen mich wohl nicht, Fräulein?«
    »Nein.«
    »Ich bin deine Mutter.«
    Die Alte machte sich über den Speiseschrank her, aß und trank, ließ eine Matratze holen und blieb da. Diese Mutter, eine mürrische und frömmlerische Person, sprach niemals mit Favourite, aß für vier, hielt mit dem Portier vertraute Freundschaft und sprach schlecht von ihrer Tochter.
    Was Dahlia zu Listolier getrieben hatte – es hätte auch ein anderer sein können –, kurz zur Untätigkeit, war nichts weiter, als daß sie allerliebste, rosige Fingernägel hatte. Wie sollte sie da arbeiten? Wer tugendhaft bleiben will, darf seiner Hände nicht achten.
    Und was Zéphine betrifft, so hatte sie es Fameuil angetan mit ihrer schelmischen und schmeichlerischen Art zu sagen »Ja, mein Herr!«
    Die jungen Leute waren Kameraden, die Mädchen Freundinnen. Solche Liebe hält mit solcher Freundschaft Nachbarschaft.
    Tugend und Philosophie sind verschiedene Dinge; Favourite, Zéphine und Dahlia waren philosophisch veranlagt, Fantine tugendhaft.
    Tugendhaft? Und Tholomyès? Salomo würde sagen, daß dieLiebe ein Teil der Tugend ist. Und wir wollen nur bemerken, daß es ja Fantines erste Liebe war, eine uneingeschränkte, treue Liebe.
    Fantine war auch die einzige von den vieren, die sich nur von einem duzen ließ.
    Sie stammte aus den Tiefen der Gesellschaft. Sie war aus der undurchdringlichen Finsternis der sozialen Niederungen hervorgegangen und trug gewissermaßen das Mal der Anonymität auf der Stirn. In Montreuil sur Mer war sie geboren, von welchen Eltern, wußte niemand zu sagen. Weder Vater noch Mutter waren bekannt. Sie hieß Fantine, hatte niemals einen anderen Namen gehabt. Zur Zeit ihrer Geburt herrschte noch das Direktorium. Einen Familiennamen hatte sie nicht, weil es ihr an Familie gebrach, an einem Taufnamen fehlte es ihr, weil damals nicht getauft wurde. So bekam sie den Namen, den ihr der erste beste beilegte, dem die Kleine barfuß auf der Straße in den Weg gelaufen war. Sie bekam ihren Namen, wie ein Regentropfen auf den Kopf fällt. Man nannte sie die kleine Fantine; mehr wußte man nicht darüber. Dieses Menschenkind war eben so auf die Welt gekommen.
    Mit zehn Jahren verließ Fantine die Stadt und nahm bei einem Bauern Dienst. Fünfzehnjährig kam sie nach Paris, um das Glück zu suchen. Sie war hübsch und blieb rein, solange sie konnte. Eine hübsche Blondine mit

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