Lesebuch für Katzenfreunde
Schreck starr sitzenblieb. Jetzt wegzulaufen wäre eine Schande gewesen, also raffte er sich auf, fauchte ein wenig jämmerlich und bewegte sich ganz langsam rücklings auf die Tür zu. Dort setzte er sich hin und wartete, die Augen auf das Kellerfenster gerichtet und von Zeit zu Zeit leise fauchend. Aber das schwarze Ungeheuer zeigte sich nicht wieder. Es hatte sich nur einen kleinen Spaß erlaubt. Kein erwachsener Kater gibt sich zu einer Balgerei mit einem halben Kind her.
Als Mama nach einer Weile kam, war sie erstaunt, Bartl so wütend und dreimal so dick wie sonst zu finden. Er stürzte vor ihr die Stiege hinauf und konnte sich auch in der Wohnung noch lange nicht beruhigen. Sein Schwanz sah aus wie eine Flaschenbürste, und das ist das sichere Zeichen dafür, daß eine Katze sich über einen Widersacher geärgert hat. Später hockte Bartl sich mürrisch aufs Fensterbrett und brütete vor sich hin. In seinem kleinen runden Kopf dämmerte es, daß das Leben nicht immer leicht und angenehm sein würde. Seine Mutter Tschitschi hatte ihn darauf vorbereitet. In seinem Glück hatte er es vergessen, aber das schwarze Ungeheuer und der Kratzer auf seiner Nase hatten ihn daran erinnert.
Der schwarze Kater hieß Beli und gehörte dem Fleischhauer im Haus. Da er immer unmäßig viel gefressen hatte, war er größer und dicker als jeder andere Kater in der Stadt. Leider muß man auch zugeben, daß er sehr wild, tückisch und grausam war. Papa und Mama hatten nie zuvor eine derartige Katze gekannt und sollten auch keine von dieser Art mehr kennenlernen. Sein Herr, der Fleischhauer, liebte den Kater aber sehr, und jeden Abend lockte er ihn schmeichelnd: »Beli, Beli, Fleisch, Fleisch«, worauf das schwarze Ungeheuer von irgendwo dahergeschossen kam und seinem Herrn zärtlich um die Beine strich. Dieser Beli sollte sich später zu einer wahren Plage und Heimsuchung für Bartl auswachsen. Der saftige Nasenstüber war nur ein kleiner Vorgeschmack künftiger Ohrfeigen, Bisse und Kratzer gewesen.
Am Abend hatte Bartl sein unangenehmes Erlebnis vergessen und balgte mit den Buben durch die Wohnung. Er hatte sich jetzt schon ganz an sie gewöhnt. Durch kräftige Hiebe seiner kleinen dicken Tatzen hatte er ihnen beigebracht, daß er nicht festgehalten und gequetscht und vor allem nicht am Schwanz gezogen werden wollte. Friedl, der kleine Raufbold, begriff das sehr rasch. Er hatte geschickte Hände und lernte es, Bartl richtig anzufassen, und nie wieder streichelte er ihn gegen den Strich. Zu Mamas Staunen zeigte der lebhafte Bub plötzlich viel Geduld. Er band kleine Stoff- und Papierbällchen an lange Fäden und spielte stundenlang mit Bartl.
Inzwischen saß Hansi verzagt im Kinderzimmer über seiner Aufgabe und mochte einfach nicht schreiben. Er wußte nicht, was er eigentlich tun wollte, nur eines wußte er ganz sicher: er wollte um keinen Preis lernen. So schlichen für ihn trostlose, langweilige Stunden dahin. Der Federstiel war wie von einer Maus abgenagt und seine Finger voll Tinte. Wenn er es gar nicht mehr aushalten konnte, fing er an, wie eine kleine Sirene zu heulen: »Mama, kooomm, Mama, kooomm!«
Daraufhin pflegte Mama, wenn sie das verheulte, tintenbeschmierte Gesicht ihres Ältesten sah, entweder zornig zu werden oder, um seiner Heulerei endlich zu entgehen, ihm bei der Aufgabe zu helfen. Kaum hatte sie dann das Zimmer verlassen, versank Hansi gleich wieder in trostloses Dösen. Davon wurde er so hungrig, daß er sich unbedingt ein paar Butterbrote holen mußte. Sonderbarerweise erfrischte ihn diese Jause aber nicht, er wurde nur faul und schläfrig davon. Die Augen fielen ihm zu, der Kopf sank aufs Heft nieder, und Hansi war eingenickt. So fand ihn Mama und weckte ihn empört: »So«, sagte sie, »hältst du also dein Versprechen. Jetzt habt ihr eine Katze und du bist noch fauler als zuvor.«
»Friedl hat heute in der Schule auch wieder ein bißchen gerauft«, brachte Hansi zu seiner Entschuldigung vor. Aber da kam er schön an.
»Pfui«, sagte Mama, »du sollst deinen Bruder nicht verpetzen. Wenn du nicht fleißiger wirst, müssen wir Bartl zurückgeben.«
Hansi war zwar faul, aber nicht dumm. Er wußte genau, daß Mama Bartl nie mehr hergeben würde. Trotzdem schämte er sich ein bißchen und schrieb drei ganze Sätze sauber und schön in sein Heft. Aus dem Wohnzimmer hörte er Friedls und Bartls lustige Spiele gedämpft durch die Wand. Es war ungerecht, daß die beiden spielen durften, während er immerzu
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