Lesebuch für Katzenfreunde
gründlich zu durchsuchen. Ich war jedoch nicht im geringsten darüber beunruhigt, da ich sicher war, daß die Leiche in ihrem geheimen Versteck nicht entdeckt werden konnte. Die Beamten forderten mich auf, sie bei der Durchsuchung zu begleiten. Sie übersahen keinen Winkel, kein Versteck. Schließlich stiegen sie zum dritten- oder viertenmal in den Keller hinab. Ich blieb ruhig wie Stein. Mein Herz schlug so friedlich wie das eines Menschen, der in Unschuld schläft. Ich folgte den Herren von einem Ende des Kellers bis zum anderen. Die Arme über der Brust verschränkt, ging ich festen Schrittes einher. Die Beamten waren vollkommen beruhigt und schickten sich an, fortzugehen. Die Freude meines Herzens war zu groß – ich mußte sie irgendwie äußern! Ich brannte darauf, wenigstens ein Wort des Triumphes auszurufen, das zugleich aber auch die Herren in ihrer Überzeugung von meiner Unschuld bestärken sollte.
»Meine Herren«, sagte ich, als sie bereits wieder die Kellerstufen emporstiegen, »ich bin entzückt, Ihren Verdacht zerstreut zu haben. Ich wünsche Ihnen viel Glück und ein wenig mehr Höflichkeit. Nebenbei bemerkt, meine Herren, dies – dies ist ein sehr gut gebautes Haus« (in dem verrückten Wunsch, irgend etwas Herausforderndes zu sagen, wußte ich kaum, was ich überhaupt redete), »ich möchte sagen, ein hervorragend gut gebautes Haus. Diese Mauern – gehen Sie schon, meine Herren? – diese Mauern sind solide aufgeführt.« Und hier – rein aus tollem Übermut – schlug ich mit einem Stock, den ich gerade bei der Hand hatte, kräftig auf die Stelle des Mauerwerks, hinter der sich die Leiche meines einst so geliebten Weibes befand.
Aber – möge Gott mir gnädig sein und mich retten aus den Krallen des Erzfeindes! – kaum war der Schall meiner Schläge verhallt, als eine Stimme aus dem Grabe mir Antwort gab. Es war ein Schreien, zuerst erstickt und abgebrochen wie das Weinen eines Kindes, dann aber schwoll es an zu einem ununterbrochenen, durchdringenden und unheimlichen Gekreisch, das keiner menschlichen Stimme mehr zu vergleichen war – zu einem bald jammervoll klagenden, bald höhnisch johlenden Geheul, wie es nur aus der Hölle kommt, wenn das Wehklagen der zu ewiger Todespein Verdammten sich mit dem Frohlocken der Höllengeister zu einem Schall vereint.
Es ist wohl überflüssig, noch davon zu sprechen, was ich in diesem Augenblick empfand. Ohnmächtig taumelte ich an die gegenüberliegende Mauer. Die Leute auf der Treppe standen regungslos, von Schreck und Entsetzen gelähmt. Im nächsten Moment aber arbeitete ein Dutzend kräftiger Hände daran, die Mauer einzureißen. Sie fiel. Der schon stark in Verwesung übergegangene und mit geronnenem Blut bedeckte Leichnam stand aufrecht vor den Augen der Männer. Auf seinem Kopf saß, mit weit aufgesperrtem rotem Rachen und dem einen glühenden Auge, die fürchterliche Katze, deren teuflische Gewalt mich zum Mörder gemacht hatte und deren Stimme mich nun den Henkern überlieferte. Ich hatte das Scheusal in das Grab mit eingemauert.
A.N. Wilson
Tammy und Pufftail
An einem Herbstabend, lange vor der Zeit, zu der menschliche Wesen schlafen gehen und die Welt uns und unserer großen Mutter-der-Nacht überlassen, inspizierte ich zufällig ein paar Abfalltonnen und machte darin einige höchst befriedigende Entdeckungen.
Die Tonnen standen in einer dunklen Ecke am Ende eines Gartens, und ich konnte ungestört arbeiten. Der Deckel war aus diesem leichten Plastik, das man mit einem Pfotenschlag hochbekommt, und obenauf in der Tonne lag eine halbgegessene Ente. Das war wirklich ein Fund, besonders weil ich aus irgendeinem Grunde an diesem Tage noch nicht viel zu mir genommen hatte. Ich beschloß, den Vogel zwischen die Zähne zu nehmen und ihn mir in einem meiner gewohnten Verstecke zu Gemüte zu führen, nämlich auf dem nahe gelegenen Schuppen, der an die Wand angebaut war. Dort konnte ich nicht nur auf dem Dach sitzen und vor Menschen, Füchsen und anderen Belästigungen sicher sein, sondern war auch noch vor anderen Katzen verborgen, denn das Dach war dicht bewachsen mit Schlingpflanzen. Dort mein Essen zu verzehren war so gut wie hinter einem Vorhang. An diesem nebligen Abend war man außerdem geschützt gegen Kälte und Nässe. Ich fing gerade an, mich an der Ente gütlich zu tun, da hörte ich das Blaffen eines kleinen Hundes.
Normalerweise hätte ein solches Geräusch mir weniger imponiert als das Sausen des Windes in den Bäumen. Aber
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