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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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mir, mich zu ängstigen, eigentlich tun sie niemand etwas. Aber ich bin dir ja so dankbar, daß gerade du mir zu Hilfe gekommen bist.« Sie betonte das du. Damit trat sie aus dem Schatten, und auf dem von verschiedenen Lichtern, Straßenlaternen und rückwärtigen Fenstern ohne Vorhänge beleuchteten Weg sah ich sie.
    Sie war eine kleine Graugetigerte mit zarten Streifen über Rücken und Schwanz. Ihre Brust war rein weiß und ihr Gesicht weiß und getigert an allen richtigen Stellen. Es ist zwecklos, dir zu sagen, daß sie die schönste Kätzin der Welt war, denn wahrscheinlich fändest du tausend andere, deren Äußeres noch vollkommener wäre… Aber sie war die Katze für mich. Ich empfand, nein, ich wußte genau, sobald ich sie erblickte, daß dies die Katze war, nach der ich mich mein Leben lang gesehnt hatte. Und obwohl ich es damals nicht gleich merkte, schien mein ganzes bisheriges Leben nichts anderes gewesen zu sein als die Vorbereitung auf diesen Augenblick.
    »Du siehst hungrig aus «, sagte ich, »…und angegriffen…«
    »Die geben mir schon was«, sagte sie, und in ihrem nächsten Satz lag viel Zärtlichkeit, »…wenn ich heimkomme.« Denn obwohl sie nur diese drei Worte sagte, hörte ich weit mehr heraus. Ich hörte: wenn ich heimkomme, aber bitte, laß uns noch ein Weilchen zusammenbleiben, ehe ich wieder ins Haus gehe. Laß uns ein Leben lang zusammenbleiben.
    »Könnte ein Stückchen Ente dich locken?« fragte ich.
    »Ente?« fragte sie lachend.
    »Ja. Komm mit.«
    Nebeneinander und glücklich trabten wir zu meinem halbverborgenen Versteck auf dem Schuppendach. Worte können die Stunden nicht schildern, die nun folgten, die Tage und Nächte nicht, die nun folgten. Es wäre töricht, sie mit all ihrer Heimlichkeit und Verschwiegenheit beschreiben zu wollen. Es war eine Zeit, wie sie nur zwei Wesen miteinander teilen können und in der ein Dritter nichts zu suchen hat. Es möge genügen, wenn ich sage, daß wir uns liebten.
    Meine geliebte Getigerte wohnte in einem Mietshaus mit einer ganzen Anzahl menschlicher Wesen, die nach den bescheidenen Maßstäben unserer Rasse recht anständig waren. Sie waren als sogenannte Tierliebhaber bekannt. In dem Haushalt von drei, vier Frauen und zwei Männern lebten etwa zwölf Katzen, außerdem alle Arten von Ratten, Mäusen, Meerschweinchen, Karnickel und was nicht noch alles. Meine Geliebte teilte das Zimmer mit einer netten Frau, zwei weiteren Katzen und einem Käfig voller Ratten. Sie bezeichnete sich, und das verursachte mir anfangs fürchterliche Qualen, als ›sehr glücklich‹ in dem Haus.
    »Oder aber«, sagte sie eines Abends, schmiegte sich an mich und leckte mir das Gesicht, »ich habe wenigstens geglaubt, ich sei dort glücklich.«
    »Mir ist der Gedanke, daß du in dem Haus bist, schrecklich«, sagte ich, »in dem man dich als Schmusetier behandelt.«
    »Nun, das ist besser, als so behandelt zu werden wie du behandelt worden bist«, sagte sie. Denn inzwischen kannte sie die Geschichte meines Lebens.
    »Ich weiß, daß deine derzeitigen menschlichen Betreuer freundlich und anständig sind«, sagte ich. »Darum geht es nicht. Oma Harris war gütig und anständig, und sieh nur, was ihr passiert ist.«
    »Das ist etwas, was allem Lebendigem passiert«, sagte meine Geliebte.
    Das nun hatte ich noch nie jemanden sagen hören, und ich war so entsetzt, daß ich von ihr wegsprang und rief: »Nein! Das ist nicht wahr! Wer hat dir so etwas gesagt? Es ist meinem Bruder geschehen – aber die Große Stille wurde durch grausame Menschen über ihn verhängt. Es stimmt, daß es auch Oma Harris geschehen ist. Aber warum, werde ich nie erfahren.«
    »Mein armer Liebling«, sagte sie lachend. »Du scheinst so weise und so erfahren und so voller Weltkenntnis. Und doch ist dir nie aufgefallen, daß die Große Stille, wie du es nennst, allen Geschöpfen widerfährt? In der einen Minute tanzt und singt ein Vogel auf seinem Zweig. In der nächsten stürzt er herab auf den Rasen und holt sich einen Wurm und zack, haben wir ihn und fressen ihn. Wenn wir ihn aber nie fressen würden, würde der Vogel trotzdem sterben, und auch der Baum und auch der Rasen. Alles bewegt sich dem Tode entgegen. Das heißt: alles unter unserer großen Mutter-der-Nacht. Und wer weiß, vielleicht befällt die Große Stille eines Tages sogar sie und die Erde.«
    »Aber das kann nicht sein«, widersprach ich. »Denn wäre es wahr, dann wäre doch die ganze Welt nichts anderes als ein Haufen

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