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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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aus irgendeinem Grunde – oder vielleicht ohne jeden bestimmten Grund – hielt ich an diesem Abend inne und lauschte. Außer dem Gekläff hörte ich Miauen. Eine unserer Gattung – dem Klang nach ein Weibchen – war in einer heiklen Lage gegenüber dem Hund und rief um Hilfe. Soll sie doch ihre Kämpfe selber austragen, sagte ich mir, während ich mich an einem besonders leckeren, fetten Entenflügel ergötzte. Die Tage der Galanterie sind für mich vorüber. Die Tage, an denen ich wünschte, auf ein weibliches Wesen Eindruck zu machen, sind vorüber – weibliche Wesen sind jeden Tag des Jahres leicht zu haben, ohne daß man auf sie Eindruck machen muß. Die Tage, an denen ich Risiken auf mich nahm, sind vorüber.
    Kläff! Kläff! Kläff!
    »Hilfe, Hilfe!« rief die weibliche Katzenstimme. »O Hund – geh doch weg! Ist denn da niemand? Hilfe!« Es war eine verwirrend schöne, anziehende Stimme. Aber noch während ich versuchte, sie zu überhören und mich auf meine Entenmahlzeit zu konzentrieren, wußte ich, daß sie mir mehr bedeutete als alle anderen weiblichen Stimmen, die mir in den verschiedenen Stadien meiner Geschichte im Dunkeln verführerische Lieder zugesungen hatten. Auch war es kein Selbstbetrug, wenn ich mir sagte, daß die Eroberung solcher Sirenen leicht war. Ich hatte so manche Gefährtin gehabt, hatte ihr ein paar Stunden oder ein paar Tage nachgestellt und sie dann vergessen.
    Wenn ich den Hund verjagte, würde ich auch diese kleine Schöne genießen können… Nein, warum mich nicht einfach auf den Genuß meiner Ente beschränken und jede Einmischung vermeiden.
    »Hilfe! Ist da jemand? Bitte helft mir doch!«
    Ich konnte nicht ahnen, was mir bevorstand, oder? Und doch war es fast so, als hätte ich schon in den allerersten Sekunden, in denen ich ihre Stimme hörte, eine dunkle Ahnung von allem gehabt, was geschehen würde. Noch während sie rief: »Ist da jemand, bitte helft mir«, reagierte ich vollkommen vernunftswidrig. Irgend jemand sollte zu ihrer Rettung herbeieilen? Das konnte ich nicht dulden, daß jemand kam und seine Pfote an sie legte. Für sie verantwortlich war einzig und allein ich.
    Plötzlich merkte ich, daß ich ohne Nachdenken die Ente zwischen das Blattwerk auf dem Schuppendach hatte fallen lassen und in Richtung des Kläffens und Miauens über die Zäune setzte. Was für eine umsichtige, mißtrauische Katze war ich doch geworden, verglichen mit meinen Jugendtagen! Als mein Bruder noch lebte und wir Hausgenossen von Oma Harris waren, wäre ich mit Riesensätzen durch die Dunkelheit geprescht ohne einen Gedanken an die Gefahren, die sich vielleicht im Schatten verbargen. Solche Bravourstückchen gehörten der Vergangenheit an. Ich lief verstohlen dahin im Bewußtsein, daß der Hilferuf eine Falle sein und es sogar eine Mitkatze, ein Kommunarde auf Beutegang sein konnte.
    Binnen kurzem stieß ich auf das Paar, das den ganzen Lärm veranstaltete.
    Ein King-Charles-Zwergspaniel, kaum größer als ich, hatte eine Katze in eine Gartenecke getrieben und drangsalierte sie. Ihre Züge konnte ich nicht erkennen, da sie sich im Schatten verbarg. Was ich sah, war ein aufgeblasener, übertrieben selbstsicherer King Charles, der nicht einmal genügend Geistesgegenwart hatte, sein Opfer zu beißen, vielmehr nur dastand, herumbrüllte und sich wichtig tat. Es war auch kein sehr aufmerksamer Hund. Er sah nicht, daß ich vom Zaun herab auf die ganze Szene herunterblickte. Als ich mich auf ihn stürzte, kam ihm das völlig überraschend. Ich sprang ihm auf den Rücken, schlug ihm die Kralle tief in die Schulterblätter und biß ihn ins Genick. Er heulte auf vor Schmerz und versuchte, sich auf den Rücken zu wälzen. Doch das verschaffte mir obendrein Gelegenheit, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Er wollte mich beißen, doch ich war viel zu schnell für ihn, und nach einigem mehr konventionellen Geknurr hinkte er davon, zweifellos, um seine menschlichen Eigentümer um Hilfe zu rufen. Sie würden bald bedauernd zärtlich auf ihn einplappern und sich fragen, wer ihren allerliebsten Dingsda so zerkratzt hatte. Sie würden auf einen großen Schäferhund tippen.
    Das Schicksal des Zwergspaniels interessierte mich nicht, wohl aber, wer da im Schatten verborgen war. »Du scheinst diesen King Charles reichlich geärgert zu haben«, sagte ich in die Dunkelheit hinein, noch immer ohne jemand zu erkennen.
    »Die ärgern sich leicht«, sagte sie lachend. »Es gibt zwei davon im Nachbarhaus. Es war dumm von

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