Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
Vom Netzwerk:
ursprünglicher Wunsch, die Straße zu wählen. Ich fing an, mich nach etwas Bleibendem zu sehnen, nach Wärme und Sicherheit, nach einem Heim. Ich hatte Heimweh, ohne zu wissen, was ein Heim war oder sein mochte.
    Sie streckte die Pfote aus und strich mir damit übers Gesicht.
    »Woran denkst du und machst dabei so traurige Augen?« fragte sie. Ihre Augen, zwei große hellgrüne Blätter aus Licht, leuchteten mir entgegen.
    »Ich hab nur gerade gedacht«, sagte ich, »wie hübsch es doch wäre, wenn…«
    »Was wäre hübsch?«
    »Nun, das ist nichts, was ich gewöhnlich sage, aber…«
    »Sprich weiter«, sagte sie, und wir rieben unsere Nasen aneinander.
    »Ich dachte nur eben, wie hübsch es wäre, wenn wir miteinander allein und doch in Sicherheit wären. Zuhause wären, wenn du verstehst, was ich meine. Ich dachte, wie hübsch es wäre, wenn die Jungen erst geboren sind, zusammen an einem warmen Ort zu sein, so daß du, wenn ich aufblicke, immer da wärst, und wenn du aufblickst, ich immer da wäre…«
    »Das hast du aber sehr hübsch gesagt.«
    »Noch hübscher ist, es sich zu wünschen.«
    »Gut, wünschen wir es uns«, sagte sie. »Jaaa, ich komm ja schon«, entgegnete sie mürrisch der jungen Frau, die »Tammy!« rief.
    »Da oben ist sie, auf der Mauer, mit Pufftail«, sagte eine andere menschliche Stimme, diesmal die eines sehr jungen Mädchens, fast noch eines Kindes. »Raufen sie oder was?«
    »Nein, raufen tun sie nicht«, sagte Tammys Betreuerin lachend. »Sie sind neuerdings unzertrennlich. Tammy, die Leute werden anfangen, über dich zu reden, wenn du nicht zum Essen hereinkommst.«
    »Heute gibt’s Thunfisch«, murmelte meine Liebste. »Ich werde versuchen, dir welchen aufzuheben. Das Schlimmste ist, Bündle kommt immer und leckt die Schüssel aus, wenn ich was übriglasse.«
    »Ich lauf rasch hinüber und schau, ob sie in Nummer zwölf eine Dose aufmachen«, sagte ich. »Alsdann, bis heute nachmittag.«
    Aber daraus wurde nichts. Wie sich erwies, hatten sie auf Nr. 12 eine bescheidene Dose geöffnet, und als ich etwas davon gegessen hatte, kam ich wieder nach draußen, setzte mich auf die Mauer und wartete auf meine Liebste, die von Nr. 18 kommen sollte. Aber sie kam nicht.
    Ich saß noch eine Weile herum. Dann schritt ich im Garten um ihr Haus auf und ab. Noch immer war nichts von ihr zu sehen. Und als es dunkel wurde, kamen mir allmählich recht düstere Gedanken. Sie mir heute wieder zu vergegenwärtigen, ist mir fast unerträglich, und doch gingen sie mir damals durch den Kopf. Ich war so weit, an meiner Liebsten zu zweifeln. Warum hatte sie mir versprochen, nach dem Essen wiederzukommen, und war dann nicht erschienen? Wenn sie mich wirklich liebte, wäre sie gekommen.
    Dann wurde mir plötzlich das Absurde meiner Lage klar.
    Liebe! Was meinte ich mit diesem Wort? Ich meinte damit den schmerzhaften Wunsch, sie zu sehen, die quälende Bewunderung. Hatte sie je Anzeichen solchen Schmerzes, solcher Bewunderung gezeigt? War nicht ihr Verhalten mir gegenüber immer zweideutig gewesen, scherzend, ein wenig sonderbar? Vermutlich, dachte ich bitter, hatte sie mich für einen alten Narren gehalten, einen alten Narren, der auch noch reichlich lästig war, ein bißchen langweilig.
    Wie ich dir schon hundertmal sagte, hatte es massenhaft andere Kätzinnen in meinem Leben gegeben, für die ich nie so empfunden hatte. Welchen Grund hatte ich also zu der Annahme, daß sie so für mich empfand? Wahrscheinlich saß sie eben jetzt auf Nr. 18 mit ihren Freunden und lachte über mich – hinter meinem Rücken!
    Es war dieser quälende Gedanke, der mich davon abhielt, durch die Katzenklappe jenes Hauses zu stürmen und sie aufzusuchen. Wir hatten es immer vermieden, uns in ihrem Zimmer zu treffen. Die anderen Tiere in ihrem Haus mochte ich nicht, und einige darunter liebten auch mich nicht besonders. Die Katze, die man Bündle nannte, rümpfte sogar die Nase vor mir und behauptete, ich ›röche‹. Was für ein verderbter, menschlicher Begriff! Alle Geschöpfe riechen. Ich bin sogar der Meinung, daß ich sehr angenehm rieche. Ich hatte angenommen, auch mein Liebchen fände, daß ich angenehm röche. Jetzt kamen mir Zweifel.
    In all den dunklen Stunden jener unseligen Nacht schritt ich durch die Gärten, auf den Mauern und Schuppendächern der ganzen Straße und hatte finstere Gedanken. Und als die Kirchturmuhr vier schlug, war ich davon überzeugt, daß ich der größte Trottel der Welt war.
    Liebe! War das

Weitere Kostenlose Bücher