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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Favoritin gewesen. Oh, die Mullein, dieses Luder! Leah hatte ihr den Tod an den Hals gewünscht, und nun war sie ja tatsächlich tot, und jetzt hatte Leah ihre eigene Katze, ein Geschöpf, das schlechthin das schönste Tier war, das sie je gesehen hatte. Natürlich hatte Leah auch ihre Pferde vergöttert, besonders als junges Mädchen; und vom zwölften Lebensjahr an – bis sie beinahe neunzehn war (als sie sich mit Gideon Bellefleur verlobte), hatte sie ein ganz ungewöhnliches Tier gehabt: eine große, seidig-schwarze Spinne, in die sie maßlos und eigensinnig vernarrt war; und auch an unzähligen Hunden der Bellefleurs hing sie sehr, und an den üblichen Hauskatzen mit ihren Kätzchen: Doch keins all dieser Geschöpfe sollte ihr so viel bedeuten wie Mahalaleel.
    »Du bist eine Schönheit, ein Himmelsgeschenk«, flüsterte Leah und brachte es kaum fertig, den Blick von Mahalaleel abzuwenden, der sich jetzt mit raschen, geschickten Strichen seiner rosa Zunge die Pfoten wusch und Leah nicht mehr beachtete. Sein Fell hatte etwas Hypnotisierendes an sich: rosig, leuchtend, seidig-leicht wie Distelflaum, und doch erstaunlich dicht, und wie endlos faszinierend das Muster, das Leah geradezu verfolgte, das sie aber nie genauer erkennen konnte, denn es wurde aus diesen tausend und abertausend Härchen gebildet, von denen jedes seine eigene zarte Farbe hatte. Aus einer Entfernung von ein paar Schritten sah Mahalaleel einfarbig aus: Da war es ein bereiftes Rötlichgrau. Doch aus größerer Nähe schien es von anderer Schattierung zu sein: wie bronzebraun gestreift. Von einem bestimmten Blickwinkel aus erschien er, wenn die Morgensonne durch seine feinen, zarten, ziemlich großen Ohren spielte, geisterhaft durchsichtig; aus einem anderen Blickwinkel, wenn sein langer, dicker Schwanz und seine etwas zu großen Pfoten mit ihren graurosa Ballen im Vordergrund waren, wirkte er wuchtig – wie ein Geschöpf, dessen beträchtlicher Umfang mit Muskeln bepackt war, obwohl das wieder etwas verschleiert wurde durch den irreführend hübschen, geradezu frivolen und vogelflaumleichten Pelz. Aber wie prächtig er war! Leah konnte sich nicht satt sehen an ihm.
    Während sie, ihre Knie umarmend, dasaß und der zerzauste Zopf schwer über die rechte Schulter fiel, schaute sie das Tier an, das sie Mahalaleel benannt hatte. Er war ein Omen, ganz eindeutig ein Vorzeichen für ein großes Glück. Wie gleichgültig er sich wusch, sie nicht beachtete… Halb unbewußt betastete sie die Kratzer, die er ihr am vorigen Abend in seiner panischen Angst zugefügt hatte. Sie schmerzten noch und begannen jetzt zu jucken. Ihre Fingerspitzen stellten mit merkwürdig gedankenloser Versunkenheit die feinen, harten, haardünnen Rippen geronnenen Bluts auf Armen und Schultern fest, auch unten auf der rechten Wange, ja sogar auf der rechten Brust: Oh, was für ein eigenartiges Vergnügen, den Schrammen nachzuspüren, sie leise und selbstquälerisch aufzukratzen – ein eigenartiges Vergnügen, solche sehr interessanten und unerwarteten Strukturen auf ihrem eigenen Fleisch zu entdecken, wo am Tag vorher nur glatte, nicht gezeichnete Haut gewesen war. Und obwohl dieses herrliche Geschöpf sie verwundet hatte, war es geschehen, ohne daß er wußte, was er tat, und infolgedessen war er unschuldig.
    »Mahalaleel? Warum bist du zu uns gekommen?« flüsterte Leah.
    Der Kater fuhr fort, seine Pfoten zu waschen, und danach die Ohren, und dann reckte er sich und gähnte – zeigte seine prachtvollen Zähne, elfenbeinweiß und so scharf und stark, daß Leah den Atem anhielt. Angenommen, er würde sie plötzlich doch angreifen? Angenommen, er würde diese Zähne, die so groß wie die eines Ozelot waren, in ihr Fleisch versenken? Mit vorsichtigen Bewegungen beugte sie sich vor, um ihn wieder zu streicheln. Mit der angeborenen Verachtung eines Aristokraten wich er ein wenig zurück, und dann erlaubte er ihr, seinen Kopf zu streicheln. »Mein Schönster, mein Mahalaleel!« sagte sie.
    Als die übrigen Familienmitglieder Mahalaleel sahen, waren sie natürlich erstaunt. Das knochige, rattenhafte Geschöpf von gestern abend, das häßliche, todgeweihte kleine Biest – verwandelt – in so etwas?
    Großvater Noêl sprach für sie alle, als er hervorstammelte: »Aber es ist – es ist einfach unglaubwürdig …«
    Mahalaleel reckte sich und drehte sich, rollte sich vor dem Feuer in eine dicke Kugel und beachtete sie nicht.
    Von jenem Tage an lebte Mahalaleel, das unheimliche

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