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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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fortgeschwemmt werden?« schrie sie ihn an. »Dann lehne ich jede Verantwortung ab! Dann fühle ich mich auch nicht verpflichtet, deinen elenden alten Leichnam herauszufischen und zu begraben!« – was sie denn auch, wie es der Zufall wollte, nicht tun konnte. Onkel Hiram, der so häufig schlafwandelte, besonders zu diesem Zeitpunkt seines Lebens, befand sich seltsamerweise in seinen hübschen Gemächern, die auf den Garten hinausblickten, und lag in tiefem Schlaf im Bett; er sollte nichts von dem ganzen Aufruhr miterleben und würde am nächsten Tag seine Verwunderung äußern, sowohl über das Vorhandensein von Mahalaleel wie über das eigensinnige Benehmen seiner Nichte Leah. (»Aber warum kann Gideon nicht mit seiner Frau fertig werden?« würde er seinen Bruder Noêl fragen. » Schämt sich der Junge denn kein bißchen über ihr Verhältnis zueinander?« ) Tante Veronica kam ebenfalls nicht nach unten, obwohl sie offenbar seit Stunden wach war; sie hörte den Lärm und verspürte eine leichte Neugierde, blieb aber in ihrem Zimmer, fertig angezogen, ein Regencape um die Schultern gelegt, und wartete einfach – wartete das Ende des Sturms ab? –, wartete.
    Und dann erschien Gideon selbst zuoberst auf der Treppe und riß sich eilig die Hose hoch. Seine breite, muskulöse Brust glänzte unter dem krausen, dunklen Haar vor Schweiß, sein Mund war ein zornig roter Kreis mitten in seinem Bart, und die Augäpfel sprangen ihm förmlich aus den Höhlen. »Leah«, brüllte er, »was machst du da, zum Teufel? Egal, wer rein will, laß mich das erledigen! Laß mich das erledigen !«
    Aber es war natürlich zu spät. Leah hatte, unterstützt von Jasper und Albert, die Tür aufgeschlossen und mühte sich ab, sie aufzuschieben (gerade diese Tür in der alten Eingangshalle im Mittelpunkt des Hauses wurde jetzt nie mehr benutzt: Sie bestand beidseitig aus massivem Eichenholz und war mit Stahlplatten bekleidet, um sie feuerfest zu machen; sie mußte fast einhundert Pfund wiegen, und die Angeln und Scharniere waren natürlich bös verrostet), und ganz plötzlich war sie dann doch offen und wurde mit aller Gewalt gegen die Wand geweht, und der Regen ergoß sich ins Innere; und unter dem riesigen Bogen der Türöffnung kam ein skelettartiges Geschöpf verzweifelt und kläglich hereingehuscht und flitzte vor Leahs Füße – war nicht größer als eine Ratte, mit dunklem Fell, so naß, daß die Rippen sich abzeichneten, mit zerknickten silbrig-grauen Schnurrhaaren und einem Schwanz, der schlaff und dünn wie ein Schuhriemen hinter ihm herschleifte. Was für ein häßliches Ding! Was für ein besudeltes, verhungertes, verächtliches, pitschnasses, häßliches Ding!
    Gideon lief hastig die letzten Treppenstufen hinab und schrie dabei. Ach was, das Ding war eine Ratte, mit einem Tritt würde er es sofort erledigt haben! Ewans ältester Sohn Garth wollte ihm mit einem Stuhl einen Hieb versetzen. Jasper klatschte in die Hände und jodelte, um es wegzuscheuchen. Großvater Noêl schrie, es wäre ein Trick, irgendein Trick, um sie abzulenken – sie wären in Gefahr – draußen im Gebüsch hätten sich ein paar Varrells versteckt – warum hatte niemand daran gedacht, eine Flinte zu holen? Das Geschöpf duckte sich erschrocken hinter Leahs Füße und hatte den Bauch platt an den Boden gepreßt. Bromwell sagte, es sei eine Bisamratte, sie würde niemandem etwas zuleide tun: Dürfe er sie haben, dürfe er sie als Spieltier behalten? Gideon schrie, es sei eine Ratte, sie sei krank und dreckig und müsse totgeschlagen werden. Jemand kam auf die Idee, die Tür zu schließen, es goß ja in Strömen, doch nun konnte das arme Geschöpf nicht ausreißen. Gideon ging darauf zu, Leah versuchte ihn wegzustoßen und rief: »Laß es in Ruhe! Was macht das schon, daß es häßlich ist?«, und die lärmenden Kinder drängten sich im Halbkreis näher, stampften auf und klatschten in die Hände. Das Geschöpf fauchte und wich zurück, und als es sah, daß es eingesperrt war, sprang es vor und schoß Gideon zwischen die Beine, dann lief es wild die Wand entlang, prallte mit Tischbeinen zusammen und stieß gegen Großvater Noêls nackte Knöcheln. Alle kreischten – einige, weil sie Angst hatten, und andere, weil sie begeistert waren. Eine Ratte! Eine Riesenratte! Oder war es eine Bisamratte? Oder ein Opossum? Oder eine Wildkatze? Oder ein junges Füchslein?
    Mit entblößten Zähnen und zurückgelegten Ohren rannte es von einer Seite auf die andere. Leah

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