Lesereise Abu Dhabi
als die Hälfte der Teilnehmer sind Frauen, und am Ende steht eine Jobvermittlung, die den neuen Qualifikationen entspricht. »Es ist wichtig, die Emiratis selber in den Tourismus einzubinden – gerade dann, wenn es darum geht, Kultur und Geschichte einer Insel am Leben zu erhalten«, heißt es dazu aus dem Hauptquartier der Tourismusbehörde in Abu Dhabi. Und im Zusammenspiel wird klar: Es geht nicht um schnelles Geld. Davon gibt es genug. Es geht auch nicht darum, die Gegend unter reichlichem Einsatz von Beton, Stahl und Glas möglichst eilig umzudekorieren, um rasch ein Resultat der eigenen planerischen Aktivität vorzeigen zu können. Hier scheint es wirklich darum zu gehen, etwas von Bestand zu erschaffen. Besser noch: es zu erhalten. Warum? Weil Scheich Zayed mal diesen klugen Satz gesprochen hat – und noch ein paar weitere: »Unsere Vorfahren überlebten unter den Bedingungen dieser Gegend – an Land und auf dem Wasser. Sie waren dazu deshalb in der Lage, weil sie die Feinfühligkeit mitbrachten, ihren vertrauten Lebensraum zu erhalten.«
Einen Trost für die Planer der nun verworfenen Stelzenhütten-Luxushotels mit den Kokospalmen und den weit ins Wasser ragenden Stegen gibt es: Abu Dhabi hat über zweihundert natürliche Inseln – viel Fläche, um eines Tages außerhalb der Desert beziehungsweise Discovery Islands hochfliegende Pläne von Traumhotels an weißen Stränden und türkisblauen Wellen umzusetzen.
Helge Sobik
Die Wüste bebt
Zweihundert Meter hohe Dünen, ein zweihundertfünfzig PS starker Allrad-Bolide und ein Fahrer, der Sultan heißt – die Liwa-Oase ist einer der schönsten Abenteuerspielplätze Abu Dhabis
Aber hoppla, jetzt geht’s zur Sache. Sultan tritt ins Pedal. Die Tachonadel pendelt bei achtzig Stundenkilometern. Wie betrunken taumelt der Wagen durch die Dünen. Wie ein Käfer gräbt er sich durch den Sand und wirbelt mal hier, mal dort eine Staubfahne auf. Immer wieder droht der Toyota aus der Bahn zu geraten. Doch wie von Gotteshand gelenkt hält Sultan den Wagen im Gleichgewicht. »Wackelt ganz schön, was?«, grinst der schmächtige Mann in der weißen Dishdasha , dem für die Emirate typischen Umhang, und drückt das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Atemlos torkelt der Wagen durch das Meer aus Dünen. Der Motor quietscht, ächzt und japst nach Luft. So hoch wie Hochhäuser bäumen sich einige der Sandberge auf, während Sultan sein coolstes Pokergesicht aufzieht und den Wagen weiter anheizt. Wenn japanische PS und mehrere Hundert Meter hohe Dünenkämme zusammenkommen, dann bebt der Wüstenboden in Abu Dhabi.
Ortstermin Liwa-Oase. Freitag, achtzehn Uhr. Neununddreißig Grad im Schatten. Die Gesetze der Schwerkraft scheinen außer Kraft gesetzt an diesem Nachmittag. Einstein und Newton gehen einem durch den Kopf. Aber das, was Sultan hier abliefert, geht an die Grenze aller Theorie. Wie in Trance schwappt der Wagen über die Dünen, rutscht mal hier in die Tiefe, gleitet mal dort durch den Sand. Dune bashing nennen die Einheimischen das Spektakel, bei dem sie ihre Wagen wie beim Autoscooter auf dem Jahrmarkt in voller Fahrt durch das Dünenmeer jagen. Heute ist Sultan der Herr der Dünen: Er entscheidet, welcher Sandberg als Nächster dran ist, welches Manöver als Nächstes gefahren wird. Und er ist der Retter in der Not, wenn sein kleiner Bruder Matar im anderen Wagen mal wieder mit hilflosem Blick hinter dem Steuer klebt, weil sich seine Räder zu tief in den Sand gefräst haben. Gefühlvoll manövriert Sultan den Wagen dann heraus. Zur Freude seines Bruders, denn mit bloßen Händen die Räder eines voll bepackten Autos aus dem glühend heißen Sand zu schaufeln, das ist weiß Gott kein Vergnügen.
Die Wüste Rub al-Khali im Herzen der Arabischen Halbinsel ist mit einer Fläche von sechshundertfünfzigtausend Quadratkilometern noch vor der Sahara das größte zusammenhängende Sandmeer der Erde. Das Tor zur Wüste ist die Liwa-Oase. Kein Ort der Vereinigten Arabischen Emirate ist so abgeschieden wie dieser. Die neununddreißig Siedlungen und Dörfer um den Hauptort Muzairi liegen etwa drei Autostunden südwestlich von Abu Dhabi Stadt und gelten als die älteste Oasensiedlung der Emirate. Bereits 1948 machte der britische Abenteuerreisende und Forscher Wilfred Thesiger hier Halt und beschrieb die Schönheit in seinem Buch »Arabian Sands«. Mitten zwischen den Dünen bieten die Siedlungen heute riesige Dattelpalmenhaine, Getreidefelder und Kamelherden. Sie werden
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