Lesereise Abu Dhabi
schneeweißen Strand hinaufschleichen, um ihre Eier abzulegen und zu vergraben. Und die gut zwanzigtausend Sokotra-Kormorane auf ihren Nestern.
Keiner hat dafür kämpfen müssen – jedenfalls nicht vor den Kulissen. Was dahinter geschah, weiß man nicht genau. Jedenfalls sieht es ganz so aus, als hätte schlicht die Einsicht gesiegt, noch ehe irgendwer hat demonstrieren oder gar protestieren müssen: Die Discovery Islands werden unberührt bleiben. Zwei Luxushotels und zwei Edel-Lodges sollten dort gut zweihundertfünfzig Kilometer westlich von Abu Dhabi Stadt im Persischen Golf entstehen, jedes für sich auf einer eigenen Insel. Und nur die zwei verbleibenden der insgesamt sechs Eilande umfassenden und im Ausland weitestgehend unbekannten Mini-Inselgruppe sollten als Naturschutzgebiet erhalten bleiben. Nun aber wird nirgends gebaut werden. Die Entscheidung fiel noch vor dem ersten Spatenstich. Und eines ist sicher: An Geldnot kann die Änderung der einst so hochgesteckten Pläne nicht gelegen haben. Es ist in Abu Dhabi im Überfluss vorhanden.
Die sechs Discovery Islands Alaquat, Gasha, Jaber, Umm al-Hamas, Umm al-Kurkum und Umm Qasr liegen zwischen sechs und acht Kilometer vor der kleinen Siedlung Marsa Jebel Dhanna im Westen der Vereinigten Arabischen Emirate auf dem Territorium Abu Dhabis. Jede für sich ist nicht viel mehr als eine größere Sandbank, ein kleines Paradies – mit genau dem Kontrast aus dem Schneeweiß des Strandes und dem Türkis der Lagune, aus dem Urlaubsträume gemacht sind.
Kein Wunder jedenfalls, dass die Tourismus-Strategen des Emirats zunächst Großes damit vorhatten und ambitionierte Entwürfe die Runde machten, sogar bereits kolorierte Zeichnungen mit Hotelanlagen zum Träumen in Prospekten verteilt wurden.
Was sich die Leute aus den Bürotürmen der Hauptstadt vorstellten, hatte genau den Look, mit dem die winzigen Malediven es zu touristischem Weltruhm, zu Jobs für die Bevölkerung und zu einem deutlich verbesserten Staatshaushalt gebracht haben: Stelzenhäuser zu beiden Seiten weit ins Meer ragender Stege, hölzerne Villen unter Palmen direkt an jenen Stränden, im Vordergrund ein paar Motorboote, Segler draußen vor der Küste. Ein Bild, in das man sich mit einem Cocktailglas oder einer aufgeschlagenen frischen Kokosnuss mit Strohhalm in der Hand hineinträumen mochte.
Die Planer um Mubarak Hamad al-Muhairi, in Personalunion Generaldirektor der Abu Dhabi Tourism Authority und des milliardenschweren Projektentwicklers Tourism Development and Investment Company TDIC schwärmten bereits öffentlich davon, dort eine eigenständige Destination auf Augenhöhe mit der Karibik und den Malediven zu schaffen: »In einem Dreitausend-Kilometer-Radius um Abu Dhabi gibt es nichts Vergleichbares«, verlautbarte man enthusiastisch – und vernachlässigte doch, dass die nördlichen Atolle der Malediven nur etwa zweitausendfünfhundert Kilometer entfernt sind …
Die Pläne sahen vor, die kleinen Inseln von der Marina von Marsa Djebel Dhanna aus mit Fähren, Luftkissenfahrzeugen und Wassertaxis anzubinden. Auf der größten Insel sollte ein Luxusresort entstehen, das, so die Werbung, »der ultimative Fluchtpunkt aus dem Alltag« mit dem »besten denkbaren Service und der höchsten Qualität an Unterkunft« werden sollte. Verkauft würde das ganze als Ökotourismusprojekt. Zur Begründung hielt her, dass ja noch die zwei Naturschutzinseln übrig geblieben wären und man dort aus der Distanz jene Schildkröten und Kormorane hätte beobachten können – und die zahlreichen Bottlenose-Delfinfamilien, die in diesen Gewässern zu Hause sind.
Die Pläne wurden schlicht fallen gelassen: und das gänzlich unkommentiert. Sie tauchen öffentlich seit inzwischen gut zwei Jahren einfach nicht mehr auf, ohne dass das bis jetzt groß aufgefallen wäre. Die Streichung wurde schlicht nicht kommuniziert.
Stattdessen ist nun von einem Schutzgebiet die Rede, das ausnahmslos alle sechs Discovery Islands umfasst – von einem Reservat, wo kein Mensch den Tieren zu nah kommen soll und kein Bauingenieur vorgesehen ist.
Hinter vorgehaltener Hand hat die glückliche Kehrtwende gleichwohl mehrere triftige Gründe – ein paar schlicht praktische und einen entscheidenden, bei dem sogar der am Golf sonst so wichtige Kommerzgedanke hinten ansteht. Die Inseln sind zu klein, um ein Hotel von betriebswirtschaftlich sinnvoller Größe mitsamt der erforderlichen Infrastruktur draufzustellen. Sie hätten aufgeschüttet
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