Lesereise Abu Dhabi
Vorsitzende der Scorpions und der Gründer der Liga ist er, Ali Kaddas Al-Romaithi. Man hat nicht unbedingt einen Standortvorteil, wenn man in Abu Dhabi das Eishockeyspielen lernt, denn die großen Eisarenen dieser Welt sind ein gehöriges Stück entfernt. Doch die Begeisterung für den Sport ist enorm – und sie wächst stetig. Die Heimstätte der Scorpions ist der Abu Dhabi Ice Rink am Rande der Sheikh Zayed Sports City. Gebaut wurde die Eishalle von olympischer Größe, in der tausenddreihundert Zuschauer Platz haben, schon vor mehr als zwei Jahrzehnten. Scheich Zayed wollte eine Bühne für internationale Eislaufveranstaltungen schaffen. Das war 1987. Heute drehen hier tagsüber oft Schulgruppen ihre Runden, manchmal ist die Eisfläche auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Dann sieht man verschleierte Frauen und Männer in Weiß auf dem Eis herumrutschen. Neuerdings gehören immer häufiger auch Eishockeyspieler in ganzkörpergepolsterten Outfits zum Bild.
Die andere Welt beginnt direkt an Abu Dhabis riesiger Al-Khaleej Al-Arabi Street. Mit dem Auto sind es etwa fünfzehn Minuten vom Zentrum in die Zayed Sports City. Zwischen zehnspurigen Highways und anonymen Hochhaustürmen fährt man eine unscheinbare Auffahrt hinunter. Jetzt am Abend funkeln die Lichter hier wie in New York oder Las Vegas. Dann gelangt man auf einen Parkplatz, der so auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Europa oder in Asiens Megacitys stehen könnte. Und schließlich steht man vor einem riesigen Kühlschrank, beinahe so hoch wie eine Pyramide. Dort, wo im Sommer Temperaturen von zweiundvierzig Grad und mehr ein Leben ohne Schweiß unmöglich machen, kühlen die Scheichs eine riesige Halle von der Größe eines Fußballfelds auf minus zwei Grad herunter. Über ihrem Eingang spannt sich in Rot der Schriftzug »Abu Dhabi Ice Rink«. Wie ein Fremdkörper steht sie da, die riesige Arena, gebaut auf Wüstensand. Draußen heiß, innen Eis.
Kaddas stülpt sich seine Schlittschuhe über, versichert sich, dass die Schuhbänder fest geschnürt sind, dann macht er sich auf den Weg durch die langen Gänge zur Eisfläche. Gibt es eine Erklärung dafür, warum Eishockey ausgerechnet in den Emiraten so populär ist? Es gibt sie. Zumindest für Kaddas. »Wir Emiratis lieben schnelle Sportarten. Formel Eins, Speed-Boat-Fahren, Kunstfliegen, Eishockey. Das ist Unseres.« Doch heute zeigt sich von der Begeisterung eher wenig. Auf dem Parkplatz vor der Halle stehen keine dicken Mercedes-Limousinen. Es stehen dort keine weißen Benzinfresser, keine Chevrolets, keine Hummer. »Für gewöhnlich«, sagt der Sechsunddreißigjährige, »für gewöhnlich ist hier mehr los. Zu unseren Spielen kommen oft viele Hundert Zuschauer. Aber heute, das ist ein Trainingsspiel. Wir haben nicht viele Gegner hier, deswegen dürfen wir nicht wählerisch sein.« Denn es gibt kaum mehr als eine Handvoll Clubs in den Emiraten. Es sind Namen, die man in Europa noch nie gehört hat, aber solche, die Kaddas in- und auswendig kennt: Abu Dhabi Storms, Al-Ain Vipers, Al-Ain Theebs und Dubai Mighty Camels. »Mit den meisten sind wir befreundet«, sagt Kaddas. »Mit den Dubai Mighty Camels tauschen wir sogar Spieler aus, wenn Not am Mann ist.«
Eishockey in den Emiraten – das hört sich an wie ein exotischer Sport. Doch seine Geschichte begann bereits vor mehr als zwanzig Jahren. Kaddas ist ein Mann der ersten Stunde. Sein Team entstand Anfang der neunziger Jahre. 1992 reiste der damals Sechzehnjährige nach Europa, unter anderem auch nach Deutschland. Hier hatte er das erste Mal Kontakt mit dem Eishockey. Das war kurz nach dem Golfkrieg. Einige Monate später, es war ein heißes Jahr, suchte er sich den kühlsten Platz im Emirat – den Abu Dhabi Ice Rink. Auf der Eisfläche sah er einige Piloten aus dem fernen Amerika mit dem Puck spielen und er fragte, ob er mitspielen dürfe. Sie willigten ein. Kaddas war begeistert. Da kam ihm die Idee, seine eigene Eishockeymannschaft zu gründen. Kaddas erinnert sich noch, als ob es gestern gewesen wäre: Für tausend Dirham, damals etwa zweihundert Euro, kaufte er sich die erste Ausrüstung. Kurz darauf gründete er die erste Mannschaft und nannte sie Abu Dhabi Blades. 1999 verschmolz das Team mit dem der Sheikh Khalifa Medical City und nannte sich fortan Scorpions. Seitdem steht Kaddas mehrere Male in der Woche auf dem Eis. »Wir sind eine gute Hobbymannschaft, in Deutschland könnte das vielleicht für die Landesliga reichen«,
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