Lesereise Abu Dhabi
immer da gewesen.
Was Alis Eltern aber am meisten erstaunen würde? Dass Tag für Tag Kinder in Badehose im Pool spielen – hier in der Wüste. Und dass es dort, wo sie einst ihr Lager aufschlugen, nun ein Spa in einem separaten Gebäude mit lehmfarbenen Mauern gibt: mit asiatischen Ölen, mit Duftkerzen und Sphärenklängen, wie es sich gehört – und mit diesem atemberaubenden Blick in die Wüste durch die Fenster der Anwendungsräume.
Ob dem Hotel eines Tages Gefahren drohen? Sie zeichnen sich schon jetzt im wahrsten Sinne ab. Nicht nur, dass der feine Sand in jede Ritze dringt und es damit gerade der Hightech schwer macht, lange zu halten: den Klimaanlagen, der Pool-Technik zum Beispiel. Mehr noch ist es die geballte Kraft der Wüste, die nach dem gesamten Hotel greift. Weil Wind die Dünen regelmäßig neu sortiert, türmt sich der Sand an mancher meterhohen fensterlosen Außenwand im Festungslook bereits gewaltig. Allein mit Besen und Schaufel bekommt man diese Mengen nicht weg. Und sind sie einmal abgetragen, macht sich der Wind einen Spaß daraus, alles in nur wenigen Wochen Korn für Korn aufs Neue an derselben Stelle wieder aufzuschichten. Eines Tages wird die Düne hinter dem Pool das Hotel fressen, einfach darüber hinwegziehen und es nach ein paar Jahren wieder freigeben – bis die nächste angewandert kommen wird. Das Monument für den Tatendrang von Scheich Khalifa und das Traditionsbewusstsein der al-Nahyan-Familie ist vergänglich. Sie werden es wissen. Sie stammen von hier.
Ist denn diese Wüste – und sei es nur im Detail – anders als andere? »Ja«, sagt Ali al-Mansouri. »Nur diese ist meine.« Er lacht. »Und sie ist leerer, einsamer. Härter. Und schöner.« Wenn er sich entscheiden müsste zwischen gestern und heute, zwischen Zelt oder Villa, Wüste oder Stadt. Was wäre ihm lieber? »Beides«, sagt er und schaut erst in die Glut des Lagerfeuers, dann auf die neue SMS auf dem Display eines seiner beiden Handys.
Helge Sobik
Milliarden Dollar für die Kunst – und das eigene Image
Wie die Herrscherfamilie Abu Dhabis neues Image prägen will: eine Geschichte über Öl, Geld, Gutes und eine gehörige Portion Eitelkeit
Öl allein hat wenig Weitererzählwert, steht für Industrie, für Fördertürme und Raffinerien. Es ist die schmutzige Seite des Reichtums, nicht per se schmückend. Wenige haben es. Jeder braucht es – aber niemanden lockt es. Und das Können der Ingenieure zählt gemeinhin nicht zu den schönen Künsten. Wenn aber all das Geld aus dem Öl da ist, kann man sich kaufen, was fehlt – und daraus ein glanzvolles Image formen: eines, das zu den propagierten eigenen Werten passt. Eines, das gewisse Strahlkraft hat und abfärbt auf denjenigen, dem es zugedacht ist. Eines, das sich von den Nachbarn und deren Errungenschaften abhebt, im Idealfall darüber steht. Eines, das andere dazu bringt, aufzuschauen – und herzukommen. Und wer herkommt, gibt auch Geld aus, befördert damit eine andere Industrie, lässt in Hotels, Restaurants und Einkaufszentren die Kassen klingeln.
Abu Dhabi soll deshalb Kunstmetropole nicht nur des Mittleren Ostens, sondern von Weltrang werden. Ob dieser Plan der Herrscherfamilie aus dem Herzen kommt oder schlicht Ergebnis strategischer Überlegungen ist, wissen nur wenige. Und sie reden nicht darüber. Das Konzept ist so oder so klug, was die eigene Positionierung vor den Augen der Welt angeht: Es setzt das Distinguierte über das Lasterhafte, das Gebildete über die Spaßgesellschaft.
Abu Dhabi will nicht Dubai sein – und stört sich gleichwohl gewaltig daran, anderthalb Jahrzehnte lang eine Entwicklung zunächst in gewisser Weise verschlafen zu haben und infolgedessen schließlich Bühne und Außenwahrnehmung einzig dem Glitzernachbarn überlassen zu haben. Obwohl der kleiner und finanziell weit schwächer ist. Jetzt ist zur Aufholjagd geblasen. Da darf das Kunstkonzept gerne so wirken, als hätte man es schon immer gehabt und unterstreiche nun lediglich den eigenen Bildungsanspruch durch milliardenschwere Museumsneubauten von Rang.
Als Abu Dhabi den Plan enthüllte, auf der bis dato unbewohnten Sand- und Mangroven-Insel Saadiyat eine Filiale des Louvre, eine des Guggenheim-Museums und darüber hinaus drei weitere große Kulturtempel in unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen, wurde man dafür belächelt. Zu groß schien die Vision, zu gewagt das Projekt – zu falsch der Standort. Als wenig später die Architekten Jean Nouvel, Frank O. Gehry,
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