Lesereise Abu Dhabi
Norman Foster, Zaha Hadid und Tadao Ando dafür gewonnen wurden, Entwürfe zu zeichnen, war die Überraschung groß. Als die ersten Modelle vorgestellt wurden, wich alle lästerliche Irritation erst dem Respekt und dann der Bewunderung. Und inzwischen ist vor Ort allenthalben eine Mischung aus Vorfreude und Neugierde auf das zu spüren, was auf Saadiyat entsteht – erst recht, weil es in Ernsthaftigkeit geschieht und nicht unter dem am Golf sonst üblichen Hochdruck, der immer mit der Gefahr unausgegorener und nicht zu Ende gedachter Lösungen verbunden ist.
Gleichwohl, die Kunstmuseen wenden sich anders als das geplante Scheich-Zayed- und das Meeresmuseum vorrangig an Ausländer, die dafür auf einem Kurzurlaub einfliegen sollen. Die eigene Bevölkerung muss an diese Art Kunst erst herangeführt werden. Auch das geschieht bereits mit System. Denn als die Modelle der Museumsbauten erstmals im Emirates Palace öffentlich ausgestellt wurden, lief in den Räumlichkeiten gleich nebenan über Monate eine respektable Picasso-Werkschau mit durchaus stattlichem Besucherzuspruch längst nicht nur von Ausländern. Schulklassen zogen mit ihren Lehrern von Leinwand zu Leinwand. Und Emiratis, angezogen letztlich von der »Weltmarke« Picasso, wollten sehen, was für Kunst sich eigentlich hinter diesem teuren Namen mit globalem Klang verbirgt. Sie kamen überwiegend mit positiver Voreingenommenheit – weil die Attribute »teuer« und »klangvoll« aus dem am Golf verbreiteten Statusdenken heraus wenig Raum für Zweifel an den Inhalten gewähren. Wenn dieser Picasso also rund um den Globus so teuer ist, dann müssen das Arbeiten von Rang sein. Und wenn sie einem sogar gefallen: umso besser. Wenn sie neugierig und Lust auf mehr machen, sogar aufs Dechiffrieren, auf die Einordnung in einen Gesamtkontext: Dann ist viel gewonnen.
Die Saat geht nach und nach auf, damit die Museen eines Tages keine Fremdkörper in der Gesellschaft sein werden. Heute sind es immer wieder namhafte moderne Künstler, die im Ausstellungszentrum »Manarat al Saadiyat« auf der Kunstinsel bereits in Wechselausstellungen gezeigt werden – wieder Tür an Tür mit den weiterentwickelten Architektenmodellen und Simulationen, wieder gut besucht von der einheimischen Bevölkerung. Was zieht, sind dabei vorrangig die Architektenentwürfe, ist die Aussicht auf die unmittelbare Zukunft der Heimatstadt – was den Blick darüber hinaus fesselt, ist die Kunst, die einmal in den Museen gezeigt werden wird.
Mit Milliarden aus der übervollen Kasse kaufen die Kuratoren gerade in aller Welt Kunst zusammen – bevorzugt Hochklassiges, das im Vorfeld der einschlägigen Auktionen alles andere als niedrig taxiert und auf der eigentlichen Veranstaltung unter Bietern durchaus umkämpft sein mag.
Es geht um nichts Geringeres, als eine namhafte permanente Sammlung sowohl für den Louvre Abu Dhabi wie für das hiesige Guggenheim erstehen zu lassen und die langfristigen wie wechselnden Leihgaben aus den Sammlungen der renommierten Namensgeber um Eigenes zu ergänzen.
Ob eines Tages auch Leonardo da Vincis »Mona Lisa« aus dem Pariser Louvre Ferien am Golf machen und ein paar Wochen im Museumspendant auf Saadiyat hängen wird? Es ist nicht ganz ausgeschlossen und zugleich nicht sonderlich wahrscheinlich. 1963 reiste »Mona Lisa« auf Geheiß der französischen Regierung als Leihgabe in die USA , 1973 wurde das Bild in Tokio und anschließend in Moskau ausgestellt – allerdings jedes Mal gegen heftigsten Widerstand der Kuratoren des Louvre. Seitdem zeigt sie sich wenig reisefreudig.
Die Konzepte der beiden Museen sehen unterdessen vor, auf Weltkunst zu setzen, nicht allein auf westliche Meister. Der Gesamtüberblick über das, was zu selben Zeiten rund um den Globus an Unterschiedlichem entstanden ist und durchweg in der jeweiligen Kultur Rang hat, soll den Spannungsbogen in den Museen ausmachen.
Dabei sind bereits reichlich Wände zu bestücken, ehe die Gebäude überhaupt stehen. Beide werden eines Tages viel Platz bieten, um Gemälde zu hängen und Skulpturen zu stellen. Allein das Guggenheim am Golf soll es auf stattliche einunddreißigtausend Quadratmeter Ausstellungsfläche bringen.
Warum aber muss es überhaupt ein Louvre werden, warum ein Guggenheim, warum nicht einfach das »Abu Dhabi Museum of Art«? Weil am Golf das Statusdenken ausgeprägter ist als anderswo. Es ist im übertragenen Sinne stets entscheidend, dass das Label einer Designer-Werkstatt eingenäht
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