Lesereise Kanarische Inseln
der ausgezehrten Insel erschien wie ein Hoffnungszeichen, ein Versprechen auf den erlösenden Regen, dessen lebensspendendes Nass man in Zisternen auffing. Vázquez-Figueroa war es auch, der Lanzarote ob seiner archaischen Landschaft mit einer Nabelschnur verglich, »die die Erde mit dem Mond verbindet«.
Heute ist Lanzarote weit eher eine Einwandererinsel, und ihre Nabelschnur ist vor allem der Flughafen mit seinem kühl-ästhetisierenden Empfangsgebäude, der die längst nicht mehr abgeschottete Insel mit dem Rest der Welt verbindet.
Hier kommen sie alle an. Die Urlauber auf der Flucht vor dem nebelgrauen heimatlichen Winter, die Aussteiger, die sich in esoterisch angehauchten Landkommunen sammeln, die zivilisationsmüden Großstädter aus Mittel- und Nordeuropa, die hier Ruhe und neue Kraft zu finden hoffen. Allerlei bildende
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Künstler und Schriftsteller haben auf Lanzarote eine kreative Zuflucht gefunden, darunter der auf der Insel im Sommer 2010 hochbetagt verstorbene portugiesische Autor und Nobelpreisträger José Saramago.
»Der Unterschied, den ich zwischen Tahiti und den Kanarischen Inseln machte, war so gering wie der zwischen Preußischblau und Ultramarin«, lässt Rafael Arozarena jenen durch eine Laune auf die Insel gekommenen Landarzt Fermín López die blanke Sehnsucht nach einem Leben in der Ferne in Worte fassen. Schon beim Landeanflug muss man an Arozarena denken, der Lanzarote mit einem Kamel verglich, »das ertrunken im Atlantik treibt«, den die Topografie der Insel an die »harte, schäbige Haut eines toten Tieres« erinnerte.
Lanzarotes drei touristische Zentren wirken aus der Luft wie seltsame Ansammlungen von Strandgut in tarnfarbener Ödnis. Für die erste Urlauberhochburg musste man zunächst einen neuen Namen finden. Das ehemalige Fischerdorf mit den langen Sandstränden nur wenige Kilometer südlich der Hauptstadt Arrecife trug vor dreißig Jahren den wenig klangvollen Namen La Tiñosa, was so viel wie schäbig, knausrig oder gar grindig bedeutet. Der Ort wurde umbenannt in Puerto del Carmen, der Bauboom begann. Das war kurz nach 1970, als an Begriffe wie »landestypisch« noch kein Gedanke verschwendet wurde, kein Küstengesetz Abstand von den Stränden verlangte und keine Öko-Gruppen sich gegen das Zubetonieren der Landschaft stemmten. Ein Hotel aus der Frühzeit der touristischen
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Entwicklung nannte César Manrique, der in seiner Jugend zu den Gefolgsleuten Francos zählte, einen »Faschistenbunker, wie ihn nicht einmal Hitler erbaut hätte.«
Bei den später gebauten Ferienanlagen wie an der Costa Teguise oder in Playa Blanca, das noch vor zwei Generationen nichts weiter als ein Fischerdorf mit zwei Dutzend Katen war, ging man bereits mit mehr Bedacht an die Planungen. Und trotz des Bemühens um eine einigermaßen landestypische Architektur kommt einem hier wie überall in solchen Zentren angesichts der Aneinanderreihung von Souvenirläden, Supermärkten, Autoverleihern und Kneipen eine seltsame Verdrossenheit an. Doch längst hat man sich auf Lanzarote auch auf eine anspruchsvollere Kundschaft eingestellt. Kleinere Reiseveranstalter bieten weniger konfektionierte Unterkünfte an, von der urigen Finca bis zur Villa mit Garten im Manrique-Stil, die sich zwischen Lavaschollen versteckt.
»Es war eine Straße, die der Sonne, der Erde, den Hunden, den grünen Fliegen, den flachen Häusern und dem Himmel, dem großen blauen Himmel gehörte. An ihrem Ende, auf der rechten Seite dösten drei Männer. Sie hockten auf dem Boden, den Rücken gegen die Wand eines weißen Hauses gelehnt. Ein weißes Haus mit grüner Tür und grünen Fenstern«, erzählt Arozarena vom archaischen Leben auf Lanzarote, als es noch keine Touristen und keine Betriebsamkeit gab und man sich allein mit den Gewalten der Natur und archaischen Eifersuchtsdramen auseinanderzusetzen hatte, die die klaustrophobische
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Enge der dörflichen Gemeinschaften wie Gift verseuchten.
Juán, von Beruf Funker wie der Protagonist aus »Mararía«, hat das unstete Leben an Bord großer Frachter aufgegeben und ist auf der heimatlichen Insel sesshaft geworden. Er koordiniert den Flugverkehr auf dem Airport, der nur ein paar Autominuten von dem weißen Haus mit den grünen Läden an der Durchgangsstraße von Mácher entfernt liegt, wo Juán geboren wurde und noch immer lebt. Juán ist weit herumgekommen, und er hat nichts gegen die Fremden, die auf seiner Insel die Sonne suchen und den von den Bauern ersehnten Regen
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