Lesereise Kanarische Inseln
über eine der gewaltigsten Vulkaneruptionen, die es auf Erden gegebenen hat. Unentwegt bebt die Erde, reißen Krater auf, überziehen neue Lavaströme die Felder und Gärten der Vega, des einst fruchtbarsten Gebiets der Insel. Giftige Dämpfe lassen noch kilometerweit entfernt das Vieh auf den Weiden verenden. Fast ein Dutzend Ortschaften wird unter der Lavaschicht
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verschüttet. Eine riesige Zunge glühenden Magmas schiebt sich weit ins Meer hinaus. Unmengen toter Fische und anderer Meerestiere werden danach an die Strände der Insel gespült. Fünfzehn Monate lang protokolliert der Geistliche immer neue Explosionen, Erdstöße, Feuersäulen und Rauchwolken, dann gibt er die Rolle des Chronisten auf und verschifft sich wie viele seiner Gemeindemitglieder nach Gran Canaria. Bis dahin waren die Bewohner bei Androhung von Strafe gezwungen worden, auf der Insel auszuharren. Das furchterregende Wüten der Natur geht über Jahre. Erst im April 1736 enden die Eruptionen. In einem abschließenden Bericht über die Katastrophe notiert ein Ratsherr der Hauptstadt Teguise: »Die Erde ist unfähig, Brot zu geben, nicht ein Blatt wächst für das Vieh, alles ist verschüttet und verloren. Nur der Sturm aus Wasser, Wind und Feuer hat überdauert und dazu das unaufhörliche Zittern der Erde.«
Wo sich einst das apokalyptische Schreckensszenario abspielte, findet sich seit 1974 der Nationalpark Timanfaya. Die emblematische Landschaft der »Feuerberge« Montañas del Fuego ist Lanzarotes wichtigste touristische Sehenswürdigkeit. In Schwarz und Ziegelrot changieren Kuppen und Kegel aus geronnener Lava. Die Erde erscheint hier unwirtlich wie der Mond. Und als sei die Gefahr noch immer allgegenwärtig, darf niemand in diesem Gebiet frei herumstreifen. Die Besucher werden zu einem Parkplatz gelotst, dann müssen sie in Busse umsteigen, die einen Parcours von vierzehn Kilometern durch die erhabene Leere der Kraterlandschaft
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abfahren. Erstarrte Lavaflüsse, vulkanische Zylinder, Kamine und Blasen, bizarre Kegel und Schründe wechseln sich ab.
Doch nur auf den ersten Blick erscheint diese Mondlandschaft ohne Vegetation. Rund einhundertachtzig Arten von Flechten wuchern auf der noch jungen Lava, dünn und halb transparent wie Raureif überziehen sie die Hänge in Grauweiß, Fahlgrün und Zinnoberrot. Nur im »Tal der Ruhe«, einer weiten Senke mit feinem Lapilli-Schotter, haben sich erste Büsche in den Boden gekrallt, deren Blätter vor dem rostroten Glühen der zwei Dutzend Krater in seltsam übertriebenem Grün leuchten. Dramatische Musikuntermalungen und die vielsprachige Übersetzung der Aufzeichnungen des Seelsorgers von Yaiza begleiten die Tour.
Wenn die Besucher den Bus wieder verlassen haben, dürfen sie am Islote de Hilario fühlen, dass das Feuer noch immer unter der Erde glimmt. Männer in den Uniformen des Nationalparks geben den Urlaubern Steinchen in die Hand, die nur einen Spatenstich unter der Erdoberfläche so heiß sind, dass man sie sofort fallen lassen muss. Trockenes Buschwerk entzündet sich in einer Senke zu hoch auflodernden Flammen. Wasser, das in Schächte gegossen wird, schießt Sekunden später als kochender Geysir in die Luft. Über einem Erdschacht liegt das Grillgut der Köche des Restaurants El Diablo. In nur sechs Metern Tiefe findet sich vor dem »Gasthof des Teufels« eine Temperatur von rund vierhundert Grad. Der Fürst der Finsternis hat wahrlich gut eingeheizt.
Außer der obligaten Bustour gibt es nur wenige
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Möglichkeiten, sich den Feuerbergen zu nähern. Nicht weit vom Eingang des Parks wird ein Kamelritt angeboten. Massen von Touristen absolvieren den lächerlich kurzen Parcours von vielleicht dreihundert Metern, dann werden sie zurück in die Busse gescheucht. Anders als dieses Abfertigungszentrum für Schnappschüsse der exotischen Art präsentieren sich die geführten Wanderungen, die vom Museum und Besucherzentrum im nahen Mancha Blanca angeboten werden. Es gibt die Ruta de Tremesana, eine kurze Tour von rund einer Stunde, sowie eine längere, anspruchsvolle Wanderung, die als Ruta del Litoral um die Feuerberge herum an der Küste entlang führt, wo die Lavaströme wie schorfige Zungen bis in den Atlantik hineinreichen.
Über dreihundert Krater weist Lanzarote insgesamt auf, nicht nur in den Feuerbergen haben darum die Launen der Natur Spektakuläres geschaffen. El Golfo im Südwesten etwa ist ein weiteres Kuriosum. Von dem einst gewaltigen Krater hat der Atlantik eine gute
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