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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Diemar
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verfluchen. »Aber was zu viel ist, ist zu viel«, sagt Juán. Und dass Lanzarote nicht noch mehr Leihwagen, Feriensiedlungen, Einkaufszentren und sonstige Segnungen verkraften kann. Und dass wir uns eilen müssen, um nicht zu spät zum Abendessen in Playa Blanca anzukommen. »Wenn du nach sieben Uhr abends kommst, wirst du nicht mehr gut bedient. Die Kellner warten schon auf den Feierabend. Und das in Spanien, wo man sehr spät zu essen pflegt. Wir haben unseren Rhythmus umstellen müssen«, sagt er und begrüßt seinen Freund Pedro, dessen Restaurant als die beste Fischkneipe der Insel gilt.
    »Wir lanzaroteños sind sozusagen in den Untergrund gegangen«, sagt Juán, »wir feiern unsere Feste am liebsten auf irgendeinem privaten Gehöft oder in der eigenen Bodega im Keller, wo kein Fremder mit seiner Kamera hinfindet.« Dort spielt er zusammen mit ein paar Freunden die Timple, eine sehr kleine Gitarre, die das wichtigste Instrument der folkloristischen
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Musik bildet. Mitten in der einstigen Inselhauptstadt Teguise widmet sich Estebán Morales, genannt Juanele, noch immer dem traditionellen Bau dieser Instrumente.
    Je weiter man sich vom Trubel und den Zerstreuungen der touristischen Zentren entfernt, desto eher spürt man den Reiz dieser fast vegetationslosen Insel. Lanzarote erscheint auf seltsame Art gestaltet. Die wenigen jettschwarzen Felder mit Linsen, Süßkartoffeln, Melonen und den in Reih und Glied stehenden Zwiebelpflanzen. Die aufgeräumten Weiler im Landesinneren mit ihren stets frisch geschlämmten Kirchen und sorgsam angelegten Grünanlagen. Die akkurat in gleichmäßigen Abständen zum Trocknen auf die Leine geklammerten Fische vor der düster-dunklen Felswand von Órzola. Die immer neuen Farben, in denen sich die Strände zeigen, mal mit blendend hellem, mal mit kaffeebraunem, gelbem oder tiefschwarzem Sand.
    Bei La Geria reihen sich endlos die künstlich angelegten Trichter mit Lapilli-Schotter, die den Tau der Nacht als einzige Bewässerung für die Weinreben speichern. Jede Lavamulde mit der einzeln stehenden Rebpflanze wird von einer gekrümmten Bruchsteinmauer aus Basaltbrocken vor dem Nordostpassat geschützt. Für diese aus der Not geborene, mühevolle Landschaftsgestaltung haben die Bauern Lanzarotes vom New Yorker Museum of Modern Art einen Preis für »Engineering without engineers« erhalten.
    Nicht nur in Literaturklassikern ist das verstörend schöne Kanareneiland beschrieben worden,
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sondern auch von modernen Autoren wie Michel Houellebecq, der sein Lanzarote-Erlebnis mit der Zufälligkeit einer spontanen Last-Minute-Buchung beginnen lässt: »Am 14. Dezember 1999 wurde mir mitten am Nachmittag auf einmal klar, dass mein Weihnachtsfest wahrscheinlich ein Reinfall würde … Ich bog nach rechts in die Avenue Félix-Faure und betrat das erstbeste Reisebüro.«
    Tausende von Reisenden tun es dem Autor gleich. Das Konto mit den restlichen Urlaubstagen im Kopf, surfen sie an einem nasskalten Wochenende durch das Internet auf der Suche nach einem Fluchtpunkt unter Palmen. Hauptsache weg, raus aus dem Alltag und seinen Zumutungen. Das Paradies auf Zeit kann viele Namen haben. Aber mit Lanzarote trifft man keine schlechte Wahl.
    Alles an dieser Insel erscheint künstlich, wie ein Entwurf oder eine Inszenierung. Die strapazierten Sinne des Reisenden schöpfen Kraft an der Reduktion des Wahrnehmbaren: das weiße Häusergewürfel, vereinzelte Palmen oder Kakteen, die düsteren Erdtöne der archaischen Landschaft, über der der Abendhimmel in Halbedelsteinfarben verglüht. Niemand hat die sperrige Schönheit dieser Insel, »die glücklich ist, wenn ihr Disteln, Gräser und Dornbüsche sprießen«, besser beschrieben als Rafael Arozarena in seinem Roman »Mararía«: »Daher wusste ich bereits, als ich von Bord ging, dass mein Fuß nicht in grünen Farnteppichen versinken würde … Die Sonne berührte jetzt den Saum der Hügel, und die Ebene leuchtete rot, lodernd wie von Feuer. Der Himmel verfärbte sich gelblich, beinfarben, und die
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Berge begannen schwarz zu werden. Unendlicher Friede lag über dem Horizont, vom Meer stieg eine leichte Brise auf, lau und salzig. Die Insel starb einen sanften Tod, langsam, ähnlich einem lebenden Wesen, als ob sie sich die Venen durchgetrennt hätte.«

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Die Heimstatt der Düsternis – das Nazi-Anwesen im Nirgendwo
Um die Villa Winter auf Fuerteventura ranken sich viele Gerüchte und Legenden
    Ganz im Süden Fuerteventuras, auf der Peninsula

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