Lesereise Kulinarium - Italien
meinen die beiden Herren in ihren altmodischen braunen Kitteln. Verschlossen der eine, verschmitzt und mit blitzenden Augen der andere. Ermes ist wortkarger, er bleibt im Hintergrund. Doch Moreno sucht das Gespräch. Er verkauft nicht nur Produkte, sondern auch Geschichten. Er kennt seine Kunden, er spürt sofort, wenn der Funke springt. Und dann geht’s erst richtig los. Öl also: Nummer eins, zwei und drei fließen in den Löffel. Zuerst ein ganz junges aus der Toskana, dann das ein Jahr alte vom Gardasee, zuletzt ein biologisches aus Ligurien. Und wo ist das olio aus dem Val Rosandra nahe Triest geblieben, das hier jahrelang verkauft wurde? Dort hatte sich ein pensionierter Bankdirektor seinen Traum erfüllt, wie Signor Scubla wusste. Jeder seiner Bäume wurde sorgfältig gepflegt und beschnitten, Ast für Ast, sodass sich alle Kraft in den wenigen Früchten sammelte, die er Jahr für Jahr erntete. Der Ertrag war klein, und die Auslese der Oliven nochmals eine Prozedur. Das Öl, das auf diese Weise entstand, ist … Moreno Scubla rollt mit den Augen. Und heute, ja heute haben die Söhne den Betrieb übernommen und eine PR -Maschinerie in Gang gesetzt. Da stecke nun viel zu viel Design mit drin. Und die Qualität des Öls, die habe verloren. Seither führe er es nicht mehr.
Aber er habe dafür etwas anderes, etwas ganz Besonderes, ein olio di Sicilia , verrät er. So eines müsse man erst einmal finden. Moreno Scublas Stimme wird leise. Der Griff ins Regal. Das Gut in Marausa im Osten der Insel gehöre einem Apotheker, und der habe sogar Schädlingsfallen entwickelt, die ohne Chemie auskommen. Und das Öl, das schmeckt – Moreno Scubla hält ein Löffelchen bereit. Augen zu.
Und jetzt noch der aceto , der Essig. Wie wär’s mit dem Vincotto aus Apulien, sechs, acht oder zehn Jahre alt? Eine Spezialität der Gegend: Aus Trauben, die noch am Weinstock trocknen, gewinnt man Most. Der wird eingekocht, mit Essig versetzt und in Eichenfässern gelagert. Dann kommen die Früchte dazu, Feigen zum Beispiel. Perfekt zu Ziegenkäse. Der Vincotto mit Erdbeeren, der sei wirklich süß, meint Moreno, den müsse man mögen. Ihm sei er zu klebrig. Es gebe auch einen mit Himbeeren – passe wunderbar zu Vanilleeis. Das esse man auch in Lecce gern, und nicht nur dort.
Die kulinarischen Meridiane Italiens scheinen allesamt durch das kleine Geschäft in Cividale zu laufen. Und wo bleibt das Friaul auf dieser Landkarte des Genusses? Nicht alle regionalen Erzeugnisse finden Signor Morenos Gnade. Viele der lokalen Anbieter, so erstklassig sie auch arbeiteten, hätten im Moment einfach noch nicht die Kapazität, in größerem Stil zu produzieren, meint er. Andere wiederum, gibt er zu bedenken, seien für ihn einfach nicht gut genug. Und gut muss man sein, sonst hat man bei Moreno keine Chance. Ihm reicht es nicht, Produkte mehrmals zu verkosten, nein, er reist ihnen hinterher. Wenn es sein muss, bis nach Sizilien. Dort, auf der Insel Favignana, lebt einer seiner liebsten Geschäftspartner, Antonio Tammaro. In der Antica Tonnara di Favignana stellt Antonio alles vom Thunfisch her: bottarga, tonno rosso del mediterraneo und tonno salato agli aromi, salame di tonno, tonno affumicato . Stolz zeigt Moreno auf die Gläser mit den Fischkonserven und zieht dann ein abgegriffenes Foto aus einem Fach unter der Kassa: Da steht er am Meer, zusammen mit Antonio. Beide Männer halten sich an einem riesigen Thunfisch fest. Moreno strahlt. Und nun stellen Sie sich spaghetti vor, so seine Übung in lukullischer Imagination, spaghetti mit nichts anderem als einem kleinen bisschen von dieser bottarga erster Qualität, diesem Thunfischrogen, dem Kaviar Siziliens, dünn über die Nudeln gerieben …
Ob er denn selbst regelmäßig koche? Natürlich, welche Frage, täglich. Zwischen Hausbrandt Kaffee, Tocai Friulano und dem Grappa Nonino steht ein Regal mit abgegriffenen Kochbüchern aus ganz Europa. Cividale ist nicht groß, hier kommt man schnell an seine Grenzen. Doch in der Küche reist Moreno durch Italien, Frankreich und Spanien, durch Griechenland und die Türkei. Zu fast jedem seiner Produkte hat er die passenden Rezepte auf Lager. Oder auch einen Rat: Der Riso Vialone Nano, der sei natürlich nur für einen risotto mit Gemüse geeignet, der Carnaroli, den könne man auch mit Fisch oder salsiccia kombinieren.
Eigentlich ist das alles ganz einfach, meint Moreno Scubla. Man muss einfach wissen, wie man’s anlegt. Nicht nur beim Essen. In Cividale
Weitere Kostenlose Bücher