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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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Palma, die zweiundachtzigjährige nonna . Sie kommentiert wohlwollend, was ihre Enkel brutzeln: »Ja, das haben wir immer schon so gemacht, das haben die von mir gelernt.« Assuntina, ihre Tochter, hat nicht viel Zeit zum Plaudern, denn hinter dem dekorativen Tisch, auf dem alle Zutaten adrett aufgebaut sind, das grüne Olivenöl in einer Glaskaraffe leuchtet, das Gemüse gewaschen und geputzt in hübschen Hügeln sortiert daliegt, hinter diesem Arrangement an der frischen Luft kann man einen Blick in die Küche werfen: Dort werkelt Assuntina mit drei Mitarbeiterinnen; was Stefano vorne für die Gäste vorkocht, wird hinten in großen Mengen zubereitet.
    Stefano beendet seine Vorführung, alle setzen sich an den langen gedeckten Tisch. Ein lauer Sommerabend liegt über den Hügeln des Cilento, Grillen zirpen in der Pergola. Weinkaraffen werden herumgereicht, aus der Küche bringen ameisenfleißige Köchinnen eine Gemüsevariation nach der anderen, so schmeckt der Sommer.
    »Ciao Fabio!«, ruft die Tischgesellschaft ganz gewandt, als ein weiterer Gast hinzutritt. Die zwei Worte Italienisch perlen von den Lippen, so leicht wie der Rotwein in die Kehlen fließt. Fabio Calisti kommt gerne in den agriturismo »Zio Cristoforo«, denn Fabio liebt dessen ravioli . Da in den Landgütern Essen nur auf Vorbestellung serviert wird, rief er einmal an und orderte ein Ravioli -Essen für sich und zwei Freunde. Er kam allein, und freute sich diebisch über die Dreifachportion ravioli mit Ricotta- Füllung.
    Fabio kocht selbst ausschließlich Fisch und Meeresgetier. Ihn Koch zu nennen wäre eine Untertreibung. Gegen ein Essen bei ihm wirkt Erlebnisgastronomie wie ein britischer Bridgeabend. In der Küche, und dann noch vor Zuschauern, da dreht der rundliche, quirlige Kerl auf. Hier bringt ein Fischer eine Styroporkiste mit Oktopoden, die langen Fangarme hängen unten heraus, dort am Spülbecken putzt eine der Köchinnen einen Tintenfisch. Gerade als sie erklärt, dabei müsse man vorsichtig sein, spritzt die Tinte in dickem Strahl über ihre Schürze. »Mamma mia«, jammert sie, »schon wieder. Ich hasse Tintenfische!« In einer riesigen Pfanne brutzelt Olivenöl, was sonst, tausendfünfhundert Liter jährlich verbraucht er. Fabio packt eine Languste mit einem halben Meter Spannweite – Barthaar bis Barthaar – und drückt sie in die Pfanne. Uuhh, einige wenden sich ab, ein martialisches Bild. »War schon tot«, beteuert Fabio. »Gestern ist eine fast herausgesprungen«, erzählt eine Köchin.
    Die Languste in der Pfanne kennen wir schon, wir haben sie noch lebend gesehen. Am frühen Morgen hatte uns der junge Fischer Marco mit aufs Meer hinausgenommen. Zwei Kilometer lang sind seine Netze, die er am Abend zuvor ausgelegt hatte. Anfang und Ende schwimmen an der Oberfläche, der Rest sackt auf den Meeresboden ab. Marco holt fette Beute ins Boot, allein vier Langusten; das ist bereits ein Tagesverdienst. Marco beliefert einige Fischrestaurants im Cilento, diejenigen, die ihren Gästen lieber den teureren, aber frischen Fisch aus dem Meer vor der Haustür anbieten als tiefgekühlten Fang unbekannter Herkunft. Rotbrassen und Zahnbrassen sind die häufigsten Fische, aber manchmal verfängt sich auch ein Schwertfisch im Netz.
    Langusten verstecken sich manchmal geradezu. »Das ist das Leben des Fischers«, so Marco in einer philosophischen Anwandlung, »man weiß nie, wann die Tiere herauskommen«. Oft hängt neben der Languste eine große Seezunge im Netz, an die sich das Schalentier angepirscht hatte. Leer gefischt sei das Mittelmeer nicht, ist Marco überzeugt. Allerdings sei es schwer geworden, einen großen Fang zu holen. Er könne nicht einfach irgendwo seine Netze auswerfen. »Du musst das Meer kennen, musst wissen, wo Langusten sich verstecken, wo Fischschwärme ziehen.« Muskelkraft allein reicht nicht. »Hier musst du mit dem Kopf fischen«, sagt Marco.
    Wir erkennen: Was die Männer und Frauen im Cilento von ihren Vorfahren gelernt haben, kann sich bis heute sehen lassen. Und schmecken. Auf den Tellern kreuzen sich die Schätze des Meeres und der Berge, und der Himmel schüttet endlose Tage lang sein verschwenderisches Blau über der Meeresewigkeit aus. Wir genießen das Glück, ein paar Tage in diese Üppigkeit des Südens einzutauchen – und unsere selbst gedrehten fusilli .
    Barbara Schaefer

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