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Lesereise Kulinarium - Spanien

Lesereise Kulinarium - Spanien

Titel: Lesereise Kulinarium - Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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Engländer Sherry nannten, weil sie meinten, Jerez zu sagen, und der in Andalusien Fino heißt. Und die Not war groß, die zu seiner Erfindung führte.
    Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Nachfrage in England nach den Weinen aus Jerez derart, dass die Kellereibesitzer versuchten, jüngeren und nicht sehr lange gelagerten Wein an die Briten zu verkaufen. Der Betrug flog auf. Die Engländer vermissten den gewohnten Geschmack ihres Lieblingsweins seit Shakespeares Zeiten und beschwerten sich bei den Händlern. Den Geschmack entwickelt der Wein jedoch erst nach einigen Jahren Ruhe im Fass, und die Kellereibesitzer in Südspanien konnten die Reife schließlich nicht beschleunigen. Bis ein cleverer Geschäftsmann und Weinkenner eine Idee hatte und sich ein bis heute verwendetes Mischsystem – das Criadera-solera -System – ausgedacht hat. Sein Name ist in der Geschichte verloren gegangen, aber ein Ehrenplatz im Herzen der Kellereibesitzer muss ihm schon damals sicher gewesen sein. Er löste ihre Probleme für immer. Sie vermischten fortan junge Weine mit älteren Weinen, beseitigten so den variierenden Geschmack und glätteten die mangelnde Reife. Um den Wein haltbar zu machen, griffen sie auf die altbewährte Praxis des Aufsprittens zurück: Dem leicht verderblichen jungen Wein mit einem geringen Alkoholgehalt mischten sie reinen Alkohol bei. Die Sherry-Freunde in England und in den anderen europäischen Ländern waren begeistert und die Sherry-Barone aus Jerez konnten fortan immer den Bedarf an ihrem einzigartigen Wein stillen.
    Die Panscherei hat ansehnliche Folgen. Nicht nur in den Flaschen, in denen ein Spitzenprodukt an den Genießer geht. Sondern auch in den Sherry-Städten Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María. Die Baumeister von Jerez haben dem Wein »Kathedralen des Bacchus« gebaut, wie ein englischer Schriftsteller im 19. Jahrhundert schrieb. Seit Ende des 18. Jahrhunderts haben die Architekten einen Baustil entwickelt, der die Stadtbilder der drei Sherry-Städte zu einem großen Teil bis heute prägt. Die lang gezogenen weißen bodegas , die Weinlager, bilden eigene Stadtviertel. Enge Straßen winden sich hindurch, auf deren Kopfsteinpflaster das Gerumpel der Fässerwagen nachhallt. Aus den Mauern entströmt ein Geruch nach Wein und Alkohol.
    Der Eintritt in eine bodega ist wie das Betreten eines arabischen Basars. Noch geblendet vom grellen Sonnenlicht, sieht der Besucher zunächst nichts. Es riecht verwirrend nach Lakritze, ein wenig nach Lebkuchen, nach gerösteten Mandeln, eine Spur modrig, und über allem liegt eine dumpfe Wolke aus Alkohol. Langsam erkennt das Auge die langen Reihen der schwarzen Holzfässer, die sich durch das schmale Gebäude ziehen. Fass an Fass, je vier übereinandergestapelt, ruht in ihnen der Wein von Jerez.
    Ein kühler Lufthauch weht durch das hohe Gebäude. Zehn, fünfzehn Meter über dem Boden verhängen Matten aus Espartogras die Fensteröffnungen und halten die Sonnenstrahlen ab. Spinnen haben ungestört ihre bis zu zwei Quadratmeter großen Netze davor gewoben und fangen ungebetene Insekten ein. Vom sandigen Fußboden steigt nasse Kühle auf. Jahrzehntelang schon wird der Boden gewässert, in den heißen Sommern bis zu zweimal wöchentlich. Denn Sherry liebt es kühl, luftig, dunkel und ruhig.
    Da in Südspanien Keller unüblich sind, bauten die Architekten die bodegas in die Höhe. Dadurch kann Luft durch die Hallen streichen und den Wein mit Sauerstoff versorgen. Mächtige Säulen, durch Rundbögen miteinander verbunden, halten die oft im arabischen Stil gehaltenen Kassettendecken. Die Fenster sind nur knapp unterhalb der Holzdecken angebracht, damit die Sonnenstrahlen nicht den Boden und die auf ihm lagernden Fässer erreichen. Die alles entscheidende Hefeschicht auf den Finos – flor genannt – lebt am liebsten im Dunkeln und bei einer Temperatur zwischen zwölf und zweiundzwanzig Grad Celsius. Die bodegas liegen deswegen meist auf Anhöhen oder in Sanlúcar und Puerto in Meeresnähe, damit frische Brisen und der kühle Westwind Poniente durch die Hallen ziehen können. Die bodegas sind zudem von Nordwest nach Südost ausgerichtet, damit ihre dicken Seitenmauern so wenig Angriffsfläche wie möglich für die Sonne bieten.
    Auch feucht muss es in den bodegas sein. Die Böden sind daher aus Sand, unter den die Baumeister Kalk und Eisenoxyd mischten. Er hält die natürliche Feuchtigkeit und wird zusätzlich im Sommer mit Wasser

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