Lesereise Mallorca
Stelle als Sprachlehrer am Goethe-Institut in Madrid zu Gunsten Mallorcas und der Bücher aufgegeben zu haben: »Wir haben hier ein sehr gut informiertes Publikum. Die Leute lesen Zeit und FAZ , schauen deutsches Fernsehen und wissen, was sie suchen.«
Was denn gerade besonders gut läuft? Er lacht. »Esoterik. Und alles, was mit Weltuntergang zu tun hat. Warum auch immer.« Er lässt im Dunklen, wie ernst er das meint und zeigt stattdessen auf das Regal mit Mallorca-Liebesromanen und Inselkrimis: »Hier funktioniert alles prächtig, was mit dieser Insel zu tun hat. Ob Heinrich Breloers ›Mallorca, ein Jahr‹ oder leichte Sommerlektüre. Ob Reiseführer, Restaurant-Guide oder Kochbuch.« Axel Thorers »Lexikon der Inselgeheimnisse« füllt gleich in mehreren Exemplaren das Regal und zählt zu den Bestsellern der Buchhandlung.
Trotzdem vertraut Edgar Knerr nicht allein dem Handel mit den gebundenen Sonnenseiten: »Es ist immer besser, auf mehreren Beinen zu stehen.« Und so betreibt er auch die Sprachschule im Erdgeschoss. Ganz nebenbei beschert sie ihm Käufer, die im ersten Stock die Lehrbücher erstehen. Und im kleinen Buch-Café, dem dritten Standbein, einen Kaffee bestellen.
Was er gerade selber liest? »Gerade angefangen, ein Buch auf Spanisch, unbekannter Autor, noch nicht ins Deutsche übersetzt.« Nichts fürs Sortiment. Noch nicht.
Auf dem Rücken des Drachen
Mallorcas »Dracheninsel« Dragonera
Zweimal nur war etwas los im ruhigen Arbeitsleben von Llorenç Vanrell. Einmal kam ihn der spanische König besuchen, das andere Mal war es Michael Douglas. Als Juan Carlos da war, wusste Llorenç lange im Voraus Bescheid, konnte ein paar Blumenkübel am Anlegesteg aufstellen, einen kleinen roten Teppich organisieren, das Haus lüften und schon mal das Licht im schummerigen Schauraum seines Minimuseums anknipsen. Michael Douglas kam ohne Anmeldung mit der Privatjacht von Freunden, und niemand konnte sich auf seinen Besuch vorbereiten. Llorenç hatte nicht mal Gelegenheit, vorher den Wagen auf Hochglanz zu polieren, um Eindruck zu schinden. In der Aufregung hat er sogar vergessen, nach einem Autogramm zu fragen.
Der Mann ist seit vielen Jahren so etwas wie Ranger auf Dragonera, und sein Auto ist das einzige Fahrzeug, das auf der »Dracheninsel« vor der Südwestspitze Mallorcas zugelassen ist. Es ist dunkelblau, hat ein offizielles Wappen an der Fahrertür, eine kleine Ladefläche, drei Räder, ist ungefähr anderthalbmal so breit wie eine Schubkarre, im Schnitt genauso schnell und schraubt sich zweimal am Tag auf Kontrollfahrt den einzigen Fahrweg der Insel entlang. Von einem Leuchtturm zum anderen. Vom Anleger zum Nordostkap und wieder am Anleger vorbei zum Südwestkap. Manchmal fährt Llorenç ersatzweise mit seinem Blaulichtboot Patrouille entlang der Küste. Das macht mehr her und nebenbei auch mehr Spaß.
Die gesamte Insel Dragonera misst in der Länge knapp mehr als vier Kilometer, in der Breite nur maximal neunhundert Meter. Jede Klippe mitgerechnet, bringt es das gesamte Eiland nur auf eine Fläche von knapp drei Quadratkilometer.
Dabei hat die Insel von St. Elm, dem Abfahrtsort der Touristenboote auf Mallorca aus gesehen, die Form eines riesigen Drachens, der sich zum Schlafen ins seichte Meer gelegt hat: mit breitem Maul, furchigem Dinosaurier-Panzerrücken und eingerolltem Schwanz.
Sa Dragonera ist so etwas wie die aus dem Meer ragende Fortsetzung des mallorquinischen Tramuntana-Gebirgsrückens – nur knapp einen Kilometer von ihrer viel größeren Schwesterninsel entfernt, zwanzig Bootsminuten von St. Elm.
Und tatsächlich ist die Dracheninsel bevölkert von Abertausenden Echsen, darunter einer endemischen Art – viele nicht größer als ein Zeigefinger und so wenigen Feinden ausgeliefert, dass sie sich von Llorenç mit Keksen aus der Hand füttern lassen. Gesellschaft leisten ihnen zahllose Möwen, ein paar Fischadler, die Ranger und die Tagesbesucher. Dragonera ist komplett unter Schutz gestellt und seit 1995 als balearischer Naturpark ausgewiesen.
Vor allem im Sommerhalbjahr kommen Urlauber herübergeschippert, um einen Tag lang unter ihren Füßen zu spüren, wie sich Mallorca vor einem Jahrhundert angefühlt haben dürfte: ohne Asphalt, nur von einem geschwungenen, kopfsteingepflasterten Weg und einigen sandigen Pfaden durchzogen, ohne Hotels, ganz ohne Ferienvillen. Auf dem Serpentinenweg wandern sie vom einen Ende der Insel zum anderen und wieder zurück – vorbei an Felsen und
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