Lesereise Mallorca
vor der Tür, die alten und jungen Altstadtbewohner, ein Mönch aus dem Kloster Sant Francesc, die Blumenfrau aus der Markthalle an der Plaça de l’Olivar, oder stehen drinnen an der Bar. Diesen Nachmittag haben sich draußen zwei Fremde dazugesetzt, die eben zwei Querstraßen weiter aus dem Hotelflur in die Gasse hinaus getreten sind. Sie blättern in einem Reiseführer – und sofort beugen sich alle gemeinsam über einen Stadtplan und beraten über das Programm der beiden.
Wäre da nicht diese Kleidung, wären die Straßennamen auf den Plaketten an den Kreuzungen nicht auf Mallorquin – die Szene könnte auch in einer arabischen Medina spielen. Statt Wasserpfeifen rauchen die Leute Zigarren oder Zigaretten. Sie palavern, lachen, flüchten sich keineswegs in Anonymität. Sie hocken da und genießen den leichten Wind, der von den Ziegeldächern der Stadtpaläste in die engen Gassen fällt.
Die Geschäfte in diesem Viertel der Altstadt sind kaum auf Fremde eingestellt. Es gibt dort die Dinge des Alltags: warme ensaïmadas frisch aus dem Ofen einer winzigen Bäckerei, eine Wand voller Sobrassada -Würste in der engen charcutería , der Metzgerei, gegenüber. Und eine Straße weiter unverhofft eine Galerie mit modernen Ölgemälden und Skulpturen aus rostigem Eisen im Fenster. Die Altstadt bewahrt alte Strukturen und ist doch im Wandel begriffen.
Wer das Gassengewirr des maurischen Viertels verlässt, in fünf Minuten Fußweg die Plaça Mayor erreicht, die Fußgängerzonen, die breiten Einkaufsstraßen wie die Avinguda Jaume III. mit ihren Markenartikeln, wechselt die Welt und ist doch immer noch im Zentrum Palmas. Hier ist die Gegenwart zu Hause. Die Menschen kaufen ein, behängen sich mit bunten Tüten voller Beute, mit Schriftzügen von El Corte Ingles bis C&A . Irgendwann steigen die weitaus meisten von ihnen in ihre Busse, klettern ein paar Geschosse in den Untergrund zu ihren in Tiefgaragen abgestellten Autos und verschwinden wieder in Richtung der Ferienorte.
Diejenigen, die die Altstadtatmosphäre suchen, um nachts das Plokk der herunterfallenden Orange zu hören, sind abends bald wieder unter sich, teilen die Gassen zwischen Plaça Mayor und Kathedrale mit den einheimischen Bewohnern der Altstadt.
Irgendwo in der Carrer Almudaina übt jemand hinter einem geöffneten Fenster Geige, und auf der Stadtmauer vor Sa Seu küsst sich ein letztes Liebespaar. Am nächsten Abend wird hier ein bisschen mehr los sein. Denn Schubert und Bach werden zu Besuch kommen – gespielt von einem Sinfonieorchester im Inneren der Kathedrale.
Und während in der Medina kaum Schatten im fahlen Licht der Laternen durch die stillen Gassen huschen, wird fünf Fußminuten weiter westlich getafelt: in den Restaurants in den Seitenstraßen der Plaça Llotja, wo sich die tapas auf den Tischen türmen. Es ist schwer, hier die Orangen fallen zu hören. Das hat drei Gründe: Es sind viele Fremde hier unterwegs, um nach dem richtigen Restaurant fürs Abendessen zu suchen. Es gibt kaum Bäume in den kleinen Höfen dieser Gegend, und die Musik in den Bars würde jedes Plokk übertönen. Schlimm ist das nicht, denn die Musik ist schön. Und der Zeitsprung zurück in die Stille des Mittelalters dauert nur hundertzwanzig Schritte.
Christmas-Shopping in Palma
Einkäufe unter südlicher Sonne: Spaniens reichste Stadt in der Vorweihnachtszeit
Der Himmel hängt voller Würste – in der Vorweihnachtszeit mehr noch als zu jeder anderen Jahreszeit. Sie baumeln in den Türrahmen der Spezialitätengeschäfte in der Altstadt von Palma de Mallorca, von den Decken der Metzgereien, hängen am Gestänge mancher Markisen. Im Dezember ist Hochkonjunktur für sobrassadas , die süßlich-aromatischen mallorquinischen Streichwürste. Bei den meisten Einheimischen stehen sie traditionell auf dem Speisezettel für den ersten Weihnachtsfeiertag, wenn mit Vorliebe Spanferkel damit gefüllt werden.
» Sobrassada «, sagt Pedro Amengual, »verändert alles und immer zum Besseren. Sobrassada gibt jedem Gericht den letzten Schliff.« Er muss es sagen, denn er verkauft in seinem kleinen Laden an der Calle Sant Domingo im Stadtzentrum fast nichts anderes – wie vor ihm sein Vater, sein Großvater und der Uropa. Wie seit über hundertzwanzig Jahren – und am besten laufen die Geschäfte zu Weihnachten. Das Schönste am Würsteverkaufen im Dezember? »Du kannst zwischendurch kurz zum nächsten Café laufen, eine Horchata -Erdmandelmilch bestellen und an einem
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