Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
Vom Netzwerk:
aus dem Wasser aufragen« sahen.
    1940 mischte sich auch Joseph Goebbels in die Diskussion um Nessie ein. Eine Nation, so schrieb der Nazi-Propagandaminister in der Hamburger Illustrierten, die an solchen Quatsch glaube, sei so ungeheuerlich dumm, dass sie keinesfalls den Krieg gewinnen könne. Ein Jahr später berichtete die italienische Faschistenzeitung Popolo d’Italia, dass mutige italienische Kampfflieger eine Bombe über Loch Ness abgeworfen und das Ungeheuer getötet hätten.
    Es gibt sogar ein offizielles Loch-Ness-Untersuchungsbüro. Einer der Gründer, Sir Peter Scott, gab dem Ungeheuer einen wissenschaftlichen Namen: Nessiteras Rhombopteryx, »das Wunder Nessie mit der diamantförmigen Flosse«. Durch einen unglücklichen Zufall ist der Name ein Anagramm für »Monster Hoax by Sir Peter S.«: Monsterschwindel von Sir Peter S.
    Bei der Saurierhatz hat man auch selbst gebaute Ein-Mann-U-Boote und Sonargeräte eingesetzt – Hunderte kleiner Detektoren, die aussehen wie Autoreifen mit einem Deckel. Sie orteten immerhin »große, sich bewegende Objekte«. Außerdem fand man eine arktische Fischart, die bis dahin als ausgestorben galt. Die Fische fühlen sich offenbar wohl in zweihundert Meter Tiefe, wo die Wassertemperatur bei fünf Grad liegt. Nur die obersten dreißig Meter erreichen im Sommer eine Temperatur von zwölf Grad.
    Er habe noch nie im See gebadet, sagt Norrie: »Nur besonders Abgehärtete oder Verrückte springen hinein.« Wir gehen bis ans Ende der Bucht, wo sich auf einer Klippe die Überreste der Burg Urquhart erheben. »Es war früher eine der größten Befestigungsanlagen Schottlands«, sagt Norrie. Wohl schon die Pikten haben hier ein Fort errichtet, zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde die Burg allerdings erst im 13. Jahrhundert. Sie ist im Laufe der Zeit immer wieder angegriffen, teilweise zerstört und erneut aufgebaut worden, bis die königlichen Truppen sie 1692 schließlich in die Luft jagten, damit sie nicht den Jakobitern in die Hände fiel.
    Auf dem Parkplatz neben dem Fußweg zur Burgruine steht ein Reisebus, zwei Dutzend tschechische Schulmädchen steigen aus und gehen kichernd den gewundenen Weg zur Burg hinunter. Sie sprechen über Nessie, das versteht man auch ohne Tschechischkenntnisse. »Im Sommer kannst du hier vor lauter Touristen kaum einen Fuß vor den anderen setzen«, sagt Norrie. »Ein Freund von mir steht dann täglich zehn Stunden auf dem Parkplatz und spielt Dudelsack. Er ist zwar kein begnadeter piper , aber er verdient damit ein Vermögen.«
    Im großen Steintor, dem Eingang zu der Anlage, ist ein Verließ eingebaut – mitsamt künstlichen Spinnweben und einem bärtigen, jungen Mann mit zerrissener Kleidung. Neben dem Tor ist eine Orientierungstafel angebracht. »Sie sind hier«, steht in vier Sprachen neben dem roten Pfeil. Weiter links ist das Turmhaus, der besterhaltene Teil der Burg. Jemand hat mit einem Filzschreiber das Ungeheuer auf der Tafel eingezeichnet.
    Eine schmale Wendeltreppe führt auf den Turm hinauf, in die Wand sind Haken mit einem dicken Seil eingelassen, damit man sich festhalten kann. Im Sommer regelt vermutlich jemand den Verkehr, denn zwei Personen kommen auf der engen Treppe nicht aneinander vorbei. Von oben kann man einen Großteil des sechsunddreißig Kilometer langen und zweieinhalb Kilometer breiten Sees überblicken, doch Norrie schlägt vor, in den Keller zu gehen. Von dem Gewölbe, in dem ein paar Schilder mit Informationen über die clan chiefs der Gegend hängen, führt ein niedriger Gang nach draußen auf eine Art Terrasse.
    Wir sind jetzt ganz dicht am Wasser. Die Oberfläche des Sees ist spiegelglatt. »Das ist gut so«, sagt Norrie, »Nessie taucht nur bei schönem Wetter auf, denn wenn es warm ist, kommen auch die Fische, Nessies Nahrung, dichter an die Wasseroberfläche.« Es gibt eben für alles eine wissenschaftliche Erklärung.
    Der See ist tiefschwarz und scheint undurchdringlich. »Verstehst du jetzt«, fragt Norrie, »warum man dem See auch mit modernster Technologie nicht zu Leibe rücken kann? Auch mit den stärksten Lampen kann man wegen der Torfpartikel unter Wasser nicht weiter als drei, vier Meter sehen.« Loch Ness ist stellenweise bis zu dreihundert Meter tief, er enthält mehr Wasser als alle anderen britischen Seen zusammen. Norrie spricht geheimnisvoll: »Es gibt da unten viele Höhlen und Ausbuchtungen, wer weiß, was da alles herumschwimmt.«
    Plötzlich kommt Bewegung in die Wasseroberfläche.

Weitere Kostenlose Bücher