Lesereise - Schweden
einfach dazu.
Um den Alkoholmissbrauch einzudämmen, kämpft »Systembolaget« auch mit ungewöhnlichen Mitteln. Ein Werbefilm im Internet beispielsweise zeigt Attila beim Saufgelage. Denn der grausame Hunne hat, wenn er gerade mal keinen Gegner niedermetzelte, gerne mal einen gebechert. Dass das gefährlicher ist als Krieg zu führen, lehrt einen der Werbefilm: Attila starb nämlich nicht an einem Pfeil in der Brust, sondern weil er sich bei einem Trinkgelage schlimm verschluckte und erstickte. Im Jahre 453 war das. Ich habe dennoch Zweifel, dass der tragische Säufertod des Hunnen den Schweden heute die Lust am Trinken verdirbt.
Bei so viel Aufhebens um Alkohol gewinnt man leicht den Eindruck, die Schweden seien ganz schlimme Trinker. Genau das sind sie aber nicht. Nimmt man den absoluten Alkoholverbrauch pro Jahr, liegt Schweden statistisch gesehen weit hinter Deutschland. Bei einem Vergleich von siebenunddreißig Ländern landeten die nüchternen Schweden auf dem dreißigsten Platz.
Letzte Sommertage
Ein Stockholmer Restaurant am Meer
Ich sitze in einem Restaurant am Meer. Trinke mein Bier und wickle mich in die Decke ein, die auf meinem Stuhl bereitliegt. Die Nachmittagssonne scheint mir ins Gesicht. Schon etwas schüchtern. Es ist einer der letzten Sommertage in Stockholm. Möwengeschrei. Angeregte Gespräche am Nebentisch. Die Segelboote spiegeln sich im Wasser. Messer und Gabeln klappern. Ein Fesselballon taucht über dem Meer auf. Er ist gelb wie die schwedische Sommersonne. Langsam bewegt er sich in Richtung Schloss. Ob er den König nach Hause bringt? Wohl kaum. Immer noch sind die Frauen in Miniröcken unterwegs, zeigen ihre braun gebrannten Beine. Strümpfe sind verpönt, geschlossene Schuhe ebenso. Nur ich sitze in eine Decke gehüllt da.
Die Enten im Wasser schwimmen ihrem Spiegelbild hinterher. Hoffen auf Tierfreunde unter den Essern. Sie hoffen nicht vergebens: Brotkrumen finden den Weg in die Schnäbel. Noch werden die Sonnenbrillen ausgeführt. Ein Gast trägt eine Baseballmütze und Jeans. Aber das passt hier nicht. Hier dominiert feines Tuch. Banker genießen die letzte Sommersonne. Die Schlipse sind gelöst, die Sakkos geöffnet. Mobiltelefone fordern Aufmerksamkeit. Man trifft Verabredungen für den Abend. Am Wein nippt man nur. Der ist immer noch teuer in Schweden. Aber daran liegt die Zurückhaltung hier nicht. Denn die Wirtschaft boomt. Die Aktien steigen. Nippen ist einfach cool. Besonders wenn der kleine Finger abgespreizt wird.
Der Fesselballon ist verschwunden, der Sommer noch da. Alle kommen noch einmal aus den Wohnungen. Die Restaurants sind voll. Aber nur die Plätze im Freien. Überall liegen Decken bereit. Aber keiner benutzt sie, man ignoriert das Ende des Sommers so lange es geht. Vor dem Restaurant küsst sich ein Paar. Sommerküsse. Vielleicht die letzten. Ein Motorboot gleitet vorbei. Nahezu geräuschlos. Der Kapitän im kurzen Hemd. Entschlossen lege ich die Decke beiseite und genieße die letzten Sommertage in Stockholm.
Einmal kraulen, bitte
Mit dem Hundeschlitten unterwegs
»Verdammt – zu schnell«, ist mein letzter Gedanke, bevor ich im Schnee lande. Schon eine ganze Weile bin ich den steilen Abhang hinabgerast. Gebremst habe ich nicht – und dann kam die Kurve. Etwas benommen rapple ich mich wieder auf, und während ich den Schnee von meinem Overall klopfe, erinnere ich mich an die Worte unseres Guides Krister bei der Einweisung: »Die Hunde machen nie Fehler, nur die Menschen.« Wie recht er hatte!
Ich bin mit dem Hundeschlitten in Lappland unterwegs. Gestern, als Krister mir und weiteren sechs Touristen erklärte, wie ein Schlitten zu lenken ist, erschien alles noch so einfach.
Wir müssten in der Kurve nur das Gewicht richtig verlagern und immer auf die Bremse treten, wenn der Schlitten zu schnell wird – das waren die beiden Kernaussagen unseres Tourenführers. »Viel mehr ist gar nicht zu beachten«, fügte er hinzu, bevor er uns auf eine kleine Proberunde schickte. Auch die verlief problemlos. Selbst das Lenken erschien wie ein Kinderspiel, denn die Hunde folgen einfach dem Schlitten vor ihnen. Eigentlich muss man sich nur gut festhalten.
Trotzdem liege ich im Schnee. Zum Glück ist mein Hundeteam eines der entspannteren Sorte. Es kommt nämlich durchaus vor, dass die Huskys nach einem Sturz samt Schlitten, aber ohne Fahrer im Wald verschwinden. Und so heißt die dritte und letzte Regel beim Hundeschlittenfahren: Auch nach dem Sturz unbedingt am
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