Lesereise - Schweden
neben ihm hocke und ihn kraule, wandert mein Blick hinauf zum Himmelszelt. Grüne, blaue, rote und weiße Lichter wabern unheimlich über den Himmel, auf und ab, hin und her, wie von Geisterhand bewegt. Das Nordlicht stattet dem schwedischen Winter einen seiner häufigen Besuche ab. Schon oft habe ich es gesehen, doch jedes Mal fasziniert es mich aufs Neue. Erst als mir die eisige Kälte in die Kleider dringt, stehe ich auf und kehre in die Realität zurück. Schnellen Schrittes gehe ich zur Sauna.
Eine Dreiviertelstunde später sitzen acht Männer schweißüberströmt auf den Saunabänken und erzählen noch immer von ihren Hunden. Draußen, am Himmel, flackert das Nordlicht. Satana und seine Freunde verabschieden sich mit einem lauten Heulen von diesem Tag.
Woher kommt der Weihnachtsmann?
Ein Streit unter Nachbarn
»Von drauß’ vom Walde komm’ ich her …« Mit dieser dürftigen Aussage lassen sich die Menschen zwischen Palermo und Hamburg abspeisen, wenn es darum geht, die Frage nach der Herkunft des Weihnachtsmanns zu beantworten. Ganz anders in Nordeuropa. Dort weiß man genau, wo der alte Mann im roten Rock zu Hause ist.
Eine kurze Nachfrage bei der finnischen Weihnachtsmannorganisation (die gibt es wirklich!) ergibt: Der bärtige Alte und sein Rentier Petteri wohnen am Korvatunturi im Osten Lapplands. Korvatunturi bedeutet auf Deutsch »Ohrenberg«, und der Name kommt angeblich daher, weil der Weihnachtsmann von dort aus die Wünsche der Kinder besonders gut hören kann.
Doch Halt! Der Weihnachtsmann, ein Finne?
Niemals, kontern die Schweden. Sie wissen es besser. Selbstverständlich kommt der jultomte aus ihrem Land, genauer: aus Mora am Siljansee. Dort besitzt er ein Haus mit einem großen Garten, in dem er mit den Kindern spielt.
Der Überlieferung nach ist der jultomte ein kleines, allenfalls achtzig Zentimeter großes Wichtelmännchen, das mit dem Sack auf dem Rücken und der Laterne in der Hand von Haus zu Haus zieht und seine Geschenke verteilt.
Die schwedischen Väter wären aber buckelig geworden, wenn sie sich Jahr um Jahr am Heiligen Abend als winziges Wichtelmännchen hätten verkleiden müssen. Deswegen hat sich auch in Schweden der Weihnachtsmann in Normalgröße durchgesetzt.
Egal ob klein, ob groß, der Weihnachtsmann ist Schwede! Trotz dieser unumstößlichen Wahrheit zeigt man sich aber versöhnlich und ist bereit, auch den finnischen Weihnachtsmann anzuerkennen – allerdings nur als eine Art Zweigstellenleiter des eigenen jultomte . Ganz ohne Hierarchie geht es dann doch nicht.
Da wiederum stellen sich die Finnen stur. Und auch die anderen skandinavischen Brudervölker vergessen jegliche nordische Solidarität, wenn es um den Weihnachtsmann geht. Norwegen, Dänemark, Island und sogar das ferne Grönland behaupten: »Nur wir haben den einzigen richtigen Weihnachtsmann!«
Um endlich Klarheit zu schaffen, befasste sich vor einigen Jahren sogar ein Ausschuss des Nordischen Rates mit diesem wichtigen Thema. Das glauben Sie nicht? Man sieht, Sie haben die Bedeutung des Weihnachtsmanns für Nordeuropa noch nicht erfasst! Ansonsten immer auf Eintracht und Verständigung bedacht, konnten sich die Nordmänner damals auf kein gemeinsames Votum einigen … und deshalb gilt seitdem auch in Nordeuropa: »Von drauß’ vom Walde komm’ ich her …«
Magie am Himmel
Der Zauber nordischer Nächte
1. Januar. 10 Uhr 54. Der erste Sonnenaufgang seit zwanzig Tagen. Erkki hat noch den Kater der Silvesterfeier in den Knochen, doch er hält sich wacker. Er will die Sonne an diesem Morgen ebenso begrüßen wie das neue Jahr in der Nacht zuvor. Fast drei Wochen hatte sie sich versteckt gehalten, und auch jetzt wird sie uns nur für eine Stunde die Ehre geben.
Erkki ist Bauarbeiter und lebt in Kiruna, weit jenseits des Polarkreises, rund dreizehnhundert Kilometer von Stockholm entfernt. Und schon Stockholm liegt für deutsche Verhältnisse ganz weit oben im Norden. »Ziemlich dunkel bei euch«, versuche ich ein Gespräch mit Erkki anzufangen. Der sieht mich fragend und mit einem Blick an, der mir zeigt, dass ich so gar keine Ahnung habe. »Wirklich dunkel ist es hier nie«, brummt er und deutet mit seiner großen Hand hinaus auf die weite Schneefläche. Recht hat er. Wenn das Mondlicht auf dem winterlichen Weiß reflektiert, taucht es die Landschaft in ein besonderes, mystisches Licht. Wenn dann noch die grünen, blauen oder roten Flammen des Nordlichts über den Winterhimmel wandern, wird Lappland
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