Lesereise Schweiz
Jahre in einen sinnlichen Zen-Tempel des Wassers. Seine »archaische Bade- und Therapielandschaft voll stiller Sinnlichkeit«, wie der Künstler einmal sagte, besteht aus natursteindunklen Baderäumen, die von magischem Licht durchflutet werden. Das quaderartige Gebäude aus übereinander geschichteten Steinplatten ermöglicht verschiedene Blickwinkel. Die Schwere des nackten Natursteins scheint die Leichtigkeit des Seins geradezu herauszufordern. Das Minimalistische der Architektur, sozusagen das Splitternackte und Karge, sollte nach Zumthors Auffassung festgefahrene Sinne stimulieren. Deshalb hat er auch das Inventar auf das Nötigste reduziert: Nur nicht von der Entspannung ablenken. Es gibt nur eine versteckte Uhr und wenige Haltegriffe: Halt soll der Mensch in sich selber finden. Wie wenige zeigt der Individualist Zumthor ein intimes Verhältnis zu einem bestimmten Ort, den Lichtverhältnissen, Größenordnungen und Materialien. Zwei Jahre nach der Eröffnung der »Felsentherme«, wie sie damals noch hieß, wurde sie schon unter Denkmalschutz gestellt.
Gut ein Jahrzehnt nach Zumthors Geniestreich scheinen die Schweizer Vier- und Fünfsternehäuser unter Bottas Segeln zu fahren: »Stararchitekten für Spas« heißt die Devise. Ein neues Reich der Entspannung erhielt im Jahr 2005 das Beau-Rivage Palace am Genfersee, eine Architektur des Franzosen Jean-Louis Poiroux. Für die neuen Sinneswelten im Schweizerhof von Lenzerheide wurde der St. Gallener Max Dudler verpflichtet, dessen »BergSpa« seit 2007 in der Superliga mitspielt. Modernes Design wird mit natürlichen Materialien verquickt, Lifestyle mit Nostalgie. Herzstück des Wellnessbereichs ist ein vierhundertfünfzig Quadratmeter großer Hamam, der größte in den Schweizer Alpen. Auch Dudler setzte auf den neuen Alpenchic aus Granit, Lärche und Eiche.
Im Folgejahr 2008 wurde das Zürcher Hotel Dolder Grand & Spa fertig, mit dem der britische Stararchitekt Sir Norman Foster brillierte. Vier Jahre blieb das historische Haus von 1899 geschlossen, um in ein Hightechhotel mit futuristischem Prachtbad verwandelt zu werden. Vom Zuckerbäckerstil des Ursprungsbaus ist zumindest im »Spa Wing« nichts mehr zu spüren. Foster verwendete elegant geschwungene Linien. Alles ist rund, gleitend, fließend. Viel Glas, viel grau schimmerndes Metall und warmer Sandstein. Naturmaterialien herrschen vor, oder er simuliert die Natur, wie etwa bei den Wänden, die lichtdurchlässig wie Scherenschnitte sind und an filigrane Farnblätter erinnern.
In dem kleinen Dörfchen Samedan kam Dezember 2009 ein Novum hinzu. Diesmal war keiner der superbekannten Stardesigner am Werk, aber die Architekten Miller & Maranta aus Basel werden es wohl bald werden. Geschichte und Atmosphäre eines zu bebauenden Ortes stellen den Ausgangspunkt ihrer Entwürfe dar. Ort und Möglichkeit waren verfügbar, nämlich eine Heilquelle im Boden und ein ungenutztes Gebäude, das direkt an die Wand der dörflichen Pfarrkirche von Samedan grenzt. Das führte schnell zum Gedankengang, dass die Bedeutung des Bades nicht nur in der körperlichen, sondern auch in der seelischen Reinigung zu sehen sei, wie andere Kulturen es kennen, etwa die orientalischen. So fanden die Architekten zu einer Idee, das typische Engadinerhaus mit unterschiedlich verteilten Fenstern nach außen hin in das historische Straßenbild zu integrieren und nach innen die Baderäume nach orientalischem Vorbild mit farbiger Keramik zu gestalten. Das Samedaner »Mineralbad & Spa« ist nun ein turmähnlicher Spa, bei dem der Badende auf fünf Ebenen eine Wasserlandschaft mit puritanisch gestylten, farblich wohligen Räumen für unterschiedliche Baderituale vorfindet. Räume mit unterschiedlichsten Ein-, Aus- und Durchblicken, wie durch Fenster auf historische Sgraffito-Häuser oder die Oberengadiner Bergwelt. Als »Senkrechter Spa« hat er schon einen Namen, und auf dem Dachgeschoss schwimmt man gar unter freiem Himmel unter der Kirchturmspitze.
Um von den vielen anderen Projekten gar nicht zu reden. Womöglich wird in der Ferne wieder eine Zeit kommen, in der sich der Mensch schlicht nach einem dampfenden Whirlpool unter dem Sternenzelt sehnt oder nach einem heißen Molkebad neben dem Kuhstall.
Auf zu neuen Wassern
Der Mineralwasserweg im Engadin
Arsen – das ist der Stoff, aus dem viele Kriminalgeschichten entstehen. Agatha Christie, Georges Simenon und Mario Simmel haben sich des Giftes gern bedient. Und auch bei ihren Lesern verfehlte es
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