Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End
Möbel und die Bücher hier in Sicherheit und lebten nun mit Suchscheinwerfern auf den Hügeln und der Sorge vor der Invasion. Einmal schlug eine Bombe in der Nähe ein, sodass die Scheiben klirrten.
Der Garten, der vom Haus zur Kirche ansteigt, war das Reich von Leonard, für den ein Nachbar aus dem Dorf die Gärtnerarbeit tat. In den ummauerten Gevierten, vermutlich Resten alter Schweinekoben, wuchern dichtgedrängt die Pflanzen. »Das Grün der Grasnarbe mit den Büscheln purpurfarbener japanischer Anemonen ist mir immer vor Augen«, heißt es im Tagebuch. Weiter oben folgt die Obstbaumwiese und der Rasen für das rituelle Boulespiel der Familie an Besuchstagen, unterhalb der Küchengarten.
Später kam die weiße Lodge nahe der Kirche dazu, ein Pavillon aus Holz, damals halb so groß wie heute. Hier hat man für die Besucher Bilder ausgestellt, Vergrößerungen aus dem Album der Woolfs, und im kleinen Raum daneben steht noch immer, wenn auch hinter Glas, ihr Schreibtisch, einfach, schnörkellos und groß, mit einer Brille, Federhaltern und dem blauen Schreibpapier, das sie für ihre Manuskripte nahm. – »Ach, diese tausend Hilfsmittel, die es braucht, um auch nur einen Satz zu schreiben!«, so hatte sie in den ersten Tagen in Rodmell geschrieben. Die Quälerei und Lust zugleich, »die Jungfräulichkeit eines Blattes Papier zu zerstören«, blieb ihr bis zum Ende.
Schreckvisionen, Angstträume und Wahnvorstellungen begleiteten das Schreiben immer wieder und mehrten sich, wenn eine Arbeit fortgegeben wurde, an den Leser. Dazwischen gab es immer wieder glückliche Momente; viele, die sie kannten, berichteten von ihrer Heiterkeit, von ihrer Spannkraft, ihrem Lachen. »Es war ein sehr lustiges Haus«, schrieb Nigel Nicolson, der Sohn ihrer Vertrauten Vita Sackville-West, später über Monk’s House. Doch die Angst, verlacht zu werden, trieb sie auch bei ihrem letzten Manuskript im späten Winter 1941 in die Krise. 1915, als die Woolfs in Richmond lebten, hatte es in ihrer Nähe drei Tote in der Themse gegeben. »Begünstigt das Wetter Selbstmord?«, hatte sie in ihrem Tagebuch gefragt, sechzehn Monate nach ihrem Suizidversuch, und hatte noch ein allgemeines Urteil über das menschliche Leben angefügt: »Ich war immer der Meinung, wir bewerteten es unsinnig hoch.«
Am 28. März 1941 schrieb sie in einem Brief an Leonard, sie fühle, dass sie diesmal nicht genesen werde. Und: »Ich kann Dein Leben nicht länger ruinieren.« Dann ging sie in den Fluss, mit schweren Steinen in der Jackentasche. Sie war neunundfünfzig Jahre alt geworden. Da der River Ouse bei Flut stromaufwärts treibt, fanden Kinder sie erst vierzehn Tage später. »Es war das Schrecklichste, was ich je erlebt habe«, sagte Louie Mayer.
Ihre Asche wurde ebenso wie später die von Leonard im Garten verstreut. Zwei Ulmen standen anfangs hier als Denkmal. Die erste fiel in einem Sturm im Jahre 1943, die zweite ging wie viele auf der Insel beim großen Ulmensterben ein, Mitte der achtziger Jahre. Zwei Büsten stehen jetzt da, umwachsen von Efeu zur Erinnerung, ein Abguss der berühmten Arbeit Stephen Tomlins, der die Porträtierte älter machte, als sie 1931 war, und die Büste ihres Mannes aus dem Jahr vor seinem Tod. Doch das Einzige, was wirklich haltbar ist, hat Nigel Nicolson benannt, ihr Schaffen: »Man reichte ihr eine winzige Information, die so unaufregend wie ein Klumpen Blei war. Was sie zurückgab, glitzerte wie Diamanten.«
Ein Traum von Orient an Englands Küste
Brighton und sein Royal Pavilion
Brighton glänzt türkis und weiß in frischen Farben, und der Delphin, das Wappentier des Ortes, tummelt sich im Stadtbild frohgemut und frisch lackiert. Wenn sich Margaret Thatchers Verehrer je nach einem Denkmal ihrer Amtszeit sehnen sollten: Brighton wäre dafür wie geschaffen. Mochten in den Achtzigern auch die Probleme auf der Insel immer größer werden, mochte auch das morsche innere Gerüst der britischen Gesellschaft schon bedenklich knarren: Draußen wuchsen die Gerüste für den Boom. Und vor allem wuchsen sie in Brighton: Die ganze Küstenpromenade auf und ab, vom Kingsway zum Marina Drive, legten die Fassaden Optimismus auf. Jetzt strahlen die Gesamtkunstwerke der terraces und crescents mit den auf Wirkung angelegten Fronten wieder wie zur Zeit des Regency zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Und ins nächste ging Englands Seebad Nummer eins nun immerhin geliftet.
Natürlich sind die Kleinen-Leute-Viertel mit den handtuchschmalen
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